Setz dich über alles weg
unfolgsam, dann wanderst du ins Krankenhaus zurück und bleibst hier, bis
du wieder ganz gesund bist!« Er zwinkerte mir zu. »Du fährst natürlich mit dem
Krankenwagen nach Hause.« — Jim knurrte.
Am Freitagnachmittag brachten wir Jim
nach Hause. Im Auto. Das mit der Ambulanz war nur wieder ein schlechter
Ärztewitz gewesen. Yuri erwartete Jim mit strahlender Miene und einem
wunderschönen Blumenarrangement für seinen Nachttisch. Das Haus blitzte von
Sauberkeit, und Jim war lieb und fügsam. Als er ins Bett stieg, brummte er zufrieden
wie ein Hündchen, das in seinem gewohnten Korb liegt. »Jetzt kann ich mich
ausruhen und etwas Ordentliches essen. Junge, Junge, in diesem Bett fühlt man
sich wohl! Was kriegen wir zu essen?«
Bunny entpuppte sich als jene geheimnisvolle
Krankenpflegerin, von der man so oft liest, die man aber nie zu sehen kriegt.
Sie war tüchtig auf eine stille und gleichgültige Art, verbrachte viele Stunden
am Telefon, um ihr Liebesleben so zu arrangieren, daß sie bequem ein paar
Dienststunden einschieben konnte, und war in allen ärztlichen Dingen perfekt.
Sie kontrollierte die Speisen, trug das Tablett hinauf (oder überredete eine
seltsam diensteifrige Yuri, es für sie hinaufzutragen), aß mit mir in
verträumtem Schweigen, huschte hinauf, vertauschte die Tracht mit einem
schwarzen Kleid, das an ihr klebte wie Nagellack, und machte sich davon.
Kaum war die Tür hinter ihr zugeknallt,
schlich Jim hinunter, und die Tür des Kühlschranks ging geräuschvoll auf,
während er nach verbotener Nahrung suchte.
Am dritten Tag, als Jim wie üblich
fragte: »Darf ich auf stehen und hinuntergehen?« — erwiderte Bunny: »Wenn Sie
wollen, stehen Sie auf — für mich ist es bequemer, wenn ich Sie nicht zu
bedienen brauche. Es kommt außerdem ganz darauf an, was Dr. Marsh sagt.« Sie
wandte sich lächelnd zu mir. »Sind Ärzte nicht schreckliche Menschen, Mrs. Jay?
Allen anderen verschreiben sie wie verrückt Medikamente — aber wenn sie selber
an der Reihe sind — was sie da nicht alles verkehrt machen!« Sie beugte sich
zum Spiegel und inspizierte kritisch ihre orchideenfarbenen Lippen. »Der Film
im Paramount ist fabelhaft _ Sie sollten sich ihn wirklich ansehen. Handelt von
lauter Psychologie — es läuft einem kalt über den Rücken.«
4
Der kleine Tod
»Verzeihen Sie die Störung — aber Mamma
Fia will mir nicht erlauben, Mamma das Insulin zu geben.« Die Stimme des
neunjährigen Guido Di Julio überschlug sich vor Empörung. »Mamma Fia sagt, in
Fiorno hat niemand die Nadel.«
»Laß mich mit Mamma Fia sprechen,
Guido.« Ich klemmte den Hörer unters Ohr, während ich das Badewasser
wegwischte, das aufs Bett troff, und mich in das Badetuch einzuwickeln
versuchte. Ich hörte Guidos flehendes Italienisch — unterbrochen von Mamma Fias
heftigen Salven.
»Sie sagt, sie kann nicht in die kleine
schwarze Dose englisch sprechen.«
»Sag ihr, Guido, wenn der Herr Doktor
hinkommen muß, um Mamma die Spritze zu geben, kostet das fünf Dollar.«
Ein Wutschrei und ein Proteststurm von
Mamma Fias Lippen. Dann: »Sie sagt — « Guido ließ offenherzig einiges weg, was
Mamma Fia wirklich gesagt hatte — , »ich darf Mamma die Spritze geben.«
Ich kehrte in die Badewanne zurück —
und zu meinen düsteren Betrachtungen über die bevorstehende Katastrophe, die
unter dem Namen ›Jahrespicknick‹ bekannt und gefürchtet war: der Betriebsausflug
der Warenhausfirma Morris. Seit zwei Wochen hatten Norman und ich nichts
anderes getan als Wettbewerbe zu organisieren — Stafettenläufe, Quizsendungen,
Wer-die-meisten-Torten-essen-kann,
Mit-zusammengebundenen-Beinen-über-den-Boden-hüpfen-Wettbewerbe, Wettbewerbe.
Norman war überzeugt, wenn es Mr. Morris je gelingen sollte, eine seiner
überfütterten Töchter an den Mann zu bringen, würden wir daraus einen
Wettbewerb machen müssen. Als die Teilnehmerinnen an dem Umzug der Badenymphen
ausgesucht wurden, raste wilde Eifersucht durch sämtliche Abteilungen des
Warenhauses — nicht nur unter den jungen und appetitlichen Angestellten,
sondern auch unter den älteren, erstens deshalb, weil sie selber nicht mehr
jung und appetitlich waren, und zweitens, weil jede von ihnen eine kleine
Verwandte hatte, die zehnmal begabter war als das Balg des gerissenen
stellvertretenden Direktors. Die Kunden ahnten nichts von diesem mörderischen
Zwist und suchten weiterhin getreulich hinter allen Verkaufstischen und Regalen
die
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