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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Drachen
Rauch aus seiner Nase, und er hatte einen nervösen Tick: Die linke
Gesichtshälfte zuckte bei jedem Herzschlag.
    Als Faith zu ihren Meßgläsern
zurückkehrte, kam sie mir etwas konfus vor.
    Dr. Randolph sah ihr zu und runzelte
vergnügt die Stirn. »Wenn Faith einen Drink mixt, ist es ein richtiges Ritual.
Soll ich Ihnen helfen, Faith?« Er hatte eine tiefe Stimme, und alles, was er
sagte, klang irgendwie vertraulich.
    »Danke, nein, ich schaffe es allein.«
Sie ging zum Kühlschrank. Faith ist groß und schlank, intelligent und sehr
ausgeglichen. Vor ihrer Heirat war sie Pflegerin in einem riesenhaften
Krankenhaus an der Ostküste, und ihr organisatorisches Geschick wendet sie nun
auf den Haushalt an. Ihre Arbeit greift ineinander wie am laufenden Band, und
wenn wir sie anrufen, heißt es meistens: »Faith, wie machst du das und das...?‹
    »In Indien, Faith, würden Sie nicht die
tüchtigste Hausfrau Ihrer Bekanntschaft, sondern die bezauberndste
Haremstänzerin sein!« Sie zuckte leicht zusammen, als er etwas zuviel Zucker in
jedes Glas tat, aber ihr »Dummes Zeug!‹ klang recht wenig überzeugend.
    Dieser Mann gefiel mir. Lächelnd zog er
mich mit hinein. »Der Tüchtigkeitsfetisch der Amerikanerin ist im allgemeinen
darauf zurückzuführen, daß sie innerlich tief unbefriedigt ist. Aber selbst
eine Amerikanerin bringt es nicht fertig, die in ihr schlummernde Tänzerin ganz
zu unterdrücken, deshalb hat unsere Faith so einen rhythmischen Gang.« Er
beugte sich näher zu ihr. »Mehr die Tänzerin hervorkehren. Faith — es kommt von
Herzen!« Faiths Wangen färbten sich rosig, während sie die Gläser auf das
Tablett stellte. Man konnte den Widerstreit in ihrem Innern beinahe sehen. Wenn
sie sich bewegte, war sie Tänzerin, und wenn sie in ihrem üblichen forschen Ton
sagte: »Gehen wir, unsere Gäste sind keine Kamele!« merkte man ihr an, daß sie
innerlich unbefriedigt war — laut Dr. Randolph. Er nahm das Tablett und ging
voraus. Damit hatte er das Problem taktvoll gelöst.
    Ich flüsterte: »Wie lange gedenkt
dieser Mephisto hierzubleiben?« Ich wollte von ihm hören, was mit mir los sei.
    »Etwa eine Woche. Er hat seine Frau
mit. Wo zum Donnerwetter habe ich die Cocktail-Servietten hingetan?«
    Die Gäste hatten sich auf der Terrasse versammelt,
und Tod zeigte Ihnen Faith’ Kamelienbeet. Doch hatte man es nicht mit
südländisch-üppiger Blumenpracht zu tun, sondern mit der blitzblanken Präzision
eines Laboratoriums. Maggie war hingerissen.
    »Faith, ich versteh’ nicht, wie du es
anstellst, aber so ist es meistens. In meinem Garten sind auch Kamelien, aber
sie sind schrecklich zerzaust. Nicht einmal das Unkraut gedeiht, weil die
Kinder alles zertrampeln, was sich irgendwo hervorwagt!«
    »Natürlich dürfen die Kinder in dieser
Ecke des Gartens nicht spielen — «, begann Faith, und dann sah sie Dr. Randolph
von der Seite an. »Gute Sorten und ordentlich gießen — das Klima — « Ihre
Stimme verebbte.
    »Was macht dein Rücken, Schatz? Ich
wollte dich schon vorhin fragen.« Maggies Stimme klang höflich besorgt.
    »Mein Rücken? O nichts, an ihn habe ich
gar nicht mehr gedacht. Es war wahrscheinlich nur die viele Gartenarbeit.«
    Dr. Randolph ging zu Maggie hinüber. Es
sah aus, als sei nun sie an der Reihe, deshalb ging ich hinterher.
    »Wie viele Kinder haben Sie, Mrs.
Roberts?«
    »Eigentlich drei Jungens, aber gegen
zehn Uhr vormittags sind es Millionen geworden, die schreiend und kreischend im
Haus herumlaufen! Die ganze Woche haben wir die Maler gehabt, und wenn so etwas
auftaucht, sind die Kinder nicht mehr zu bändigen. Haben Sie Kinder, Doktor
Randolph?«
    »Nein.«
    »Meine Kinder sind die reinen Teufel.
An und für sich machen sie mir Spaß, aber wenn ich zu tun habe, könnte ich sie
skalpieren. Einmal sind sie in die Farbtöpfe geraten und haben den ganzen
Teppich bekleckert...« Lachend schilderte sie das tolle Durcheinander.
    »Kinder reagieren unmittelbar und
hemmungslos auf Schönheit und persönliche Anziehungskraft — ich finde dieses
Phänomen äußerst interessant.« Seine Blicke streichelten Maggies reizvolles und
lebhaftes Gesicht. »Ich fürchte, Sie werden immer eine Schar Kinder um sich
haben, Mrs. Roberts — und auch Erwachsene! Sie brauchen nur die Maler
loszuwerden!«
    Maggie war die honigsüßen
Schmeicheleien gewöhnt, mit denen die Männer im Süden das weibliche Geschlecht zu
überhäufen pflegen, aber diese erstaunliche These, daß das Tohuwabohu in

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