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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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ihrem
Haus durch ihre eigene Persönlichkeit verursacht sei, war ein neuer, ein
prickelnder Gedanke. Während sich Dr. Randolph zu Dorothy begab, nahm Maggie
Faith’ Arm. »Faith, dieser Doktor Randolph ist gefährlich. Bist du sicher, daß
du keine Angst zu haben brauchst?«
    »Ganz sicher — und es ist eine
angenehme Abwechslung!« Dann fuhr Faith mit lauter Stimme fort, sich an alle
Anwesenden wendend: »Wollen wir jetzt zu Tisch gehen?« Als sie ins Eßzimmer
ging, schwangen ihre Hüften wie das Pendel einer Uhr.
    Die lieben, alten, nur allzu vertrauten
Gesichter — Faith und Tod, innere Medizin; Dorothy und Bill, Chirurgie; Maggie
und Pete, Geburtshilfe; Mary und Jim, innere Medizin — und dazu eine
erfrischende Bluttransfusion in Gestalt der beiden Gäste, Dr. Randolph und
Betty, Psychiatrie. Aus den Augen der Frauen leuchtete die Hoffnung, jetzt
würde man endlich einmal mehr erleben als die übliche Litanei unverständlicher
medizinischer Fachausdrücke und dazu das Nebengeräusch der Berichte über
Großreinemachen und Kinderhüten...!
    Dr. Randolph saß neben mir, Betty mir
gegenüber neben Pete. Betty war der genaue Gegensatz ihres Mannes. Klein und
rundlich, von ungezwungener Offenheit und sehr amüsant. Während Pete ihr
zuhörte, wurden seine Grübchen immer freundlicher, und er schien sich sehr zu
amüsieren. »Man braucht nur Satyriasis zu sagen statt An-den-Busen-greifen,
introvertiert statt egoistisch, extrovertiert statt fideles Haus und
Infantilismus statt verwöhnte Range — und da haben Sie meinen Beruf!«
    »Haben Sie schon immer als
Werksfürsorgerin gearbeitet?«
    »Nein, ich habe zu Hause gesessen und
gehofft, schwanger zu werden, bis ich es fast zu einer Scheinschwangerschaft
brachte. Dann begann ich in einer Flugzeugfabrik zu arbeiten. Dort ist die
Personalfrage das größte Problem. Ich habe Paul fünfzehn Jahre lang dozieren
hören, da dachte ich mir, vielleicht bist du auch geeignet, und es ging.«
    »Und jetzt?« Petes Augen leuchteten vor
Bewunderung.
    »Jetzt bin ich Personalchef. Der ideale
Posten für eine Frau. Man darf sich in die Angelegenheiten anderer Leute
mischen und bekommt noch dafür bezahlt.«
    Pete lachte schallend. »Wenn Sie
Assistentinnen brauchen, kann ich Ihnen eine x-beliebige Menge liefern.«
    Dr. Randolph wandte sich zu mir. »Faith
sagt, Sie seien vor Ihrer Heirat in der Werbebranche tätig gewesen. Es muß
Ihnen nicht leichtgefallen sein, Ihre Persönlichkeit zu sublimieren, um sich
den neuen Verhältnissen anzupassen.« Gerade als ich mit Feuereifer anfangen
wollte, ihm zu schildern, wie tapfer ich mich durchgeschlagen hatte, sah ich
Jims belustigte Miene. Er zog die Brauen hoch — wie immer, wenn er etwas
zitieren wollte. Ich glaubte ihn sagen zu hören: ›Das Geheimnis, Leute zu
langweilen, besteht darin, ihnen alles zu erzählen.‹
    Ich schluckte meine Lebensgeschichte
hinunter, und schickte mich an, imponierende psychiatrische Interessen an den
Tag zu legen. Ich bat ihn, mir genau zu erklären, was mit dem Ausdruck
›psychiatrischer Konsulent‹ gemeint ist.
    Dr. Randolph begann mit einer
Wiegenliedstimme, die nur uni einen halben Ton höher lag als ›Es waren einmal
drei kleine Bären...›
    »Der Psychiater als Konsulent einer
Firma, die zahlreiche Angestellte hat, versucht die Rolle des beratenden Arztes
zu spielen, der sich für die Milderung, Lösung oder Beseitigung der Probleme
des einzelnen interessiert. Diese Einstellung ist bisher dem Profitsystem, dem
System der Massenproduktion, fremd gewesen. Er muß seine Rolle daher in einer
Umgebung spielen, die darauf abgestimmt ist, die persönlichen Probleme des
Individuums zu ignorieren, solange die Gruppe gewinnbringend funktioniert.«
    Er lächelte, als meine Augen vor
medizinischem Unverständnis und unter dem narkotischen Einfluß seiner
einlullenden Stimme glasig zu werden begann. »Wir können es auch anders
formulieren. Die leitenden Angestellten großer Firmen werden mit der Zeit so
erhaben, daß sie kaum noch etwas anderes zu tun haben, als über nebelhafte
Urprobleme nachzugrübeln. Sie werden immer mehr introspektiv und bezahlen einem
Psychiater riesige Gelder, damit er ihnen ein ›alter ego‹ gibt, dem sie ihre
persönlichen Eigenheiten in die Schuhe schieben können — und damit er sie davon
abhält, nach Ansicht der unteren Angestellten viereckige Pflöcke in runde
Löcher zu jagen. Ist das leichter zu verstehen?« Seine Augen blitzten boshaft.
    »Es entspricht eher meinem

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