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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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aus.« Er reichte Bob eine Schrotflinte.
»Ich riet ihr, im Bett zu bleiben, aber sie behauptete, die Zukunft des
Krankenhauses hänge davon ab, daß sie heute eine Samenschote in eine Lachsdose
tut.«
    »Sie war großartig — sie ist immer
großartig. Was die anderen machen, wird nicht einmal angeschaut — geschweige
denn, daß jemand fünfundzwanzig Dollar dafür bezahlt«, sagte Faith.
    Betsy kam die Treppe herunter in einem
neuen Cocktailkleid, das ihr Dick geschenkt hätte. Schwarzer Samt mit einem
tiefen, herzförmigen Ausschnitt. Ihre Blässe wurde dadurch noch mehr betont,
die Sommersprossen und das Lippenrot traten stärker hervor, aber der Rock war
ziemlich bauschig, und sie sah nicht mehr ganz so mager aus.
    Pete musterte sie. »Wieviel hast du
abgenommen, Betsy?« Sie wußte es nicht, vielleicht fünfzehn oder zwanzig Pfund.
Die ersten zehn seien ihr recht gewesen, aber wenn es so weiterginge, würde sie
bald wie der Suppenkaspar aussehen.
    »Da — iß das!« Pete reichte Betsy einen
Keks mit etwas Käse darauf. Sie machte eine abwehrende Handbewegung.
»Ausgeschlossen! Was ich auch esse, ich bekomme Magenschmerzen.« Sie seufzte.
»Wahrscheinlich bin ich dabei, genauso eine hysterische Ziege zu werden, wie
ihr sie zu schildern pflegt, aber ich kann mich wirklich nicht entsinnen, wann
ich das letzte Mal richtig hungrig gewesen wäre.«
    Pete sagte: »Iß! Ich will, daß die
Frauen rundlich sind und Grübchen haben!«
    Betsy öffnete gehorsam den Mund und aß.
Dann sagte sie: »Aber mach dir keine Sorgen um die Grübchen, ich kann dir sogar
ein neues zeigen.« Sie schob ihr Kleid über einer Schulter zurück und zeigte
Pete eine seltsame Vertiefung, die aussah wie ein mit dem Finger in ein
Teigstück gebohrtes Loch.
    »Wie lange hast du das schon?« fragte
Pete. Sein Ton hatte sich verändert, er klang jetzt nicht mehr salopp und
scherzhaft, sondern so sachlich, als ob er im Sprechzimmer gewesen wäre. Mein
Herz krampfte sich zusammen, mir stockte der Atem.
    »Keine Ahnung — etwa sechs Monate. Als
ich bei meinen Leuten zu Hause war, habe ich es Doktor Stubbings gezeigt, und
er sagt, man müsse es beobachten, aber das sagt er immer. Er hat uns jetzt
schon so lange beobachtet, daß es ihm zur Gewohnheit geworden ist.«
    Ich sah zu Faith auf und sah gerade,
wie ihre Lippen die Worte formten: ›Unfähiger, gemeingefährlicher Lump!‹
    »Komm morgen früh zu mir, Betsy! Bring
sie mir gegen zehn, Dick!« Wenn Pete diesen Ton anschlägt, tun wir sofort, was
er verlangt — das heißt, alle bis auf Betsy.
    Sie begehrte auf. »Morgen ist Sonntag, und
ich habe noch nicht einmal ausgepackt. Ich komme im Lauf der nächsten Woche.«
Betsy sah sich um, und auf allen Gesichtern begegnete ihr die gleiche
unpersönliche Miene, die zu verstehen gab, man sei mit dem Arzt restlos
einverstanden. Mit einem übertriebenen Seufzer fuhr sie fort: »Und erzählt mir
nicht, daß ich schrecklich aussehe, ich weiß es. Ich habe seit Tagen kein Auge
zugetan und keinen anständigen Bissen gegessen. Ihr wißt ja, wie es auf diesen
Herbsttourneen zugeht. Die Züge wimmeln von Müttern, Babies und Kindern, alle
sind sie übermüdet und schlecht gelaunt — von dem Schmutz ganz zu schweigen.
Und überall wollen sie etwas Besonderes — Orchideen oder etwas Hellblaues! Ich
begreife nicht, wie man in einem Land leben kann, wo es kein Immergrün gibt und
keine Wintergewächse. Ich muß mich nur ausruhen, dann ist alles wieder in
Ordnung.«
    Stumm wie Geschworene warteten wir, daß
Pete sie ‘rumkriegen würde. »Natürlich ginge es auch nächste Woche, Betsy, aber
da bin ich leider restlos besetzt — mit zahlenden Patienten.« Er grinste übers
ganze Gesicht. »Die Frauen meiner Kollegen und andere Gratispatienten nehme ich
mir gern, wenn es sich irgendwie machen läßt, am Sonntag vor.«
    Bei Tisch — wahrscheinlich weil wir
alle dem ärztlichen Beruf angehörten oder mit ihm verknüpft waren und gelernt
hatten, nicht mit der Wimper zu zucken und nie zu sagen, was wir denken —
konzentrierten wir uns auf die Neuigkeiten von der Farm, auf das Befinden der
Kinder und andere unwesentliche Familiendinge. Betsy meinte, wenn die Kinder
nun heranwüchsen, würde sie aufhören müssen, wochenlang herumzugondeln, sie
seien jetzt schon soweit, daß sie Helga nicht mehr ohne Widerrede gehorchten.
    Maggie fing sofort ablenkend zu
scherzen an. Solange sie nicht zu Hause sei, seien ihre Jungens die reinen
Engel, aber sowie sie den Fuß über die

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