Seuchenschiff
unkontrolliert. Sie hatten kein Muster und kein Ziel. Es war eine explosive Reaktion, ein instinktiver Reflex auf eine wahrgenommene und erkannte Bedrohung. Max steckte Treffer im Gesicht, auf der Brust, im Magen, auf den Schultern und im Unterleib ein. Es war ein wahrer Regen von Schlägen und Tritten, der unerschöpflich zu sein schien. Die Treffer erfolgten so schnell, dass er sich sicher war, von mehr als einer Person bearbeitet zu werden, aber während seine Augen sich so verdrehten, dass nur noch das Weiße zu sehen war, konnte er feststellen, dass die Bestrafung allein von Kovac ausgeführt wurde.
Zwei ganze Minuten verstrichen, nachdem Max auf seinem Stuhl zusammengesunken war, sein Gesicht eine blutige Masse, bis einer der Wächter schließlich vortrat, um den serbischen Metzger zurückzuhalten. Kovac reagierte mit einem mörderischen Blick auf diese Störung, und der Wächter wich hastig zurück. Aber die Unterbrechung reichte aus, um seine Wut abzukühlen.
Hasserfüllt betrachtete er Hanleys bewusstlose Gestalt, wobei seine Brust sich vor Anstrengung und Adrenalin heftig hob und senkte. Kovac dehnte seine Handgelenke so, dass sie hörbar knackten und vermischtes Blut von ihnen auf den Boden hinabtropfte. Er streckte die Hand aus und schob Max’ rechtes Augenlid nach oben. Zu sehen war lediglich ein mit roten Äderchen durchzogener weißer Augapfel.
Kovac wandte sich an die Wächter. »Kommt in zwei Stunden zurück und schaut nach ihm. Wenn er beim nächsten Mal nicht zusammenbricht, lassen wir seinen Sohn von Korinth einfliegen, und dann wollen wir mal sehen, wie lange wir uns mit dem Jungen befassen müssen, bis er uns endlich sagt, was wir wissen wollen.«
Er ging durch die offene Tür hinaus. Die beiden Wächter warteten einen Moment, dann folgten sie ihm und schlossen die schwere Tür hinter sich. Sie blickten auch nicht zurück oder spürten eine Bewegung in dem Raum, denn das war das Letzte, was sie erwartet hätten.
Während er mit fast völlig geschlossenen Augen verfolgte, wie sie hinausgingen, wurde Max aktiv, kaum dass sie ihm den Rücken zuwandten. Während der furchtbaren Prügel hatte er sich ständig auf dem Stuhl hin und her bewegt, um die Fesseln zu lockern. Kovacs Wut hatte ihn völlig geblendet, und die Wachen hatten angenommen, dass Hanleys ruckartige Bewegungen eine Reaktion auf die erhaltenen Schläge gewesen waren. Aber Max’ Aktionen waren trotz allem kühl berechnet und absolut gezielt erfolgt.
Er beugte sich vor und ergriff eins der Papiere, die Kovac aus der Hand gefallen waren, als Max ihn mit der Stirn an der Nase erwischt hatte. Mit dem Stuhl an seinem Rücken kämpfte er sich zur Tür. Er hatte nur einen einzigen Versuch, denn selbst wenn er eine weitere Prügelfolter überlebte, würde er ihnen alles verraten, was sie wissen wollten, um Kyle zu beschützen, egal welche Konsequenzen es hätte.
Er hatte perfekt gezielt. Das Blatt Papier schob sich in dem Moment zwischen die Tür und den Türpfosten, als das Schloss einschnappen wollte, und verhinderte, dass der Bolzen an Ort und Stelle rutschte.
Max ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken. Es waren die schlimmsten Prügel gewesen, die er jemals bezogen hatte. Sie waren noch schlimmer gewesen als das, was er im Gefängnis bei den Vietcong hatte ertragen müssen, und damals hatten seine Peiniger sich sogar abgewechselt, so dass sich die Prügel über eine Stunde oder noch länger hinzogen. Er tastete in seinem Mund herum und konnte zwei Zähne mit seiner Zunge bewegen. Es war ein kleines Wunder, dass seine Nase nicht gebrochen war oder dass einer der schweren Körpertreffer kein Herzflimmern mit anschließendem Herzstillstand ausgelöst hatte.
Die Stelle, wo sie den bioelektrischen Transponder herausgeschnitten hatten, war verglichen mit seinem übrigen Körper nur noch ein dumpfer Schmerzpunkt. Seine Brust war ein Meer von Blutergüssen, und wie sein Gesicht aussah, wagte er sich kaum vorzustellen.
Nun, eine ausgesprochene Schönheit bin ich nie gewesen, dachte er grimmig, und das sarkastische Lächeln, das dieser Gedanke bei ihm auslöste, ließ frisches Blut aus seinen zerschundenen Lippen sickern.
Max genehmigte sich zehn Minuten, um sich zu erholen. Wenn er länger wartete, würde sich sein Körper dermaßen verkrampfen, dass er sich am Ende gar nicht mehr rühren könnte. In all seinem Schmerz hatte er noch einen winzigen Schimmer Hoffnung – wenigstens hatten sie Kyle nicht in dieses Höllenloch
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