Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seuchenschiff

Seuchenschiff

Titel: Seuchenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
Vom Netzwerk:
mussten, wo sie gerade gingen oder standen. Als er die breite Treppe hinunterging, die rund um das Foyer verlief, konnte Cabrillo auch einen Blick auf die kleine Bühne werfen, wo eine aus sechs Musikern bestehende Kapelle gespielt hatte. Fünf von den mit Smokings bekleideten Musikern waren über ihren Instrumenten zusammengebrochen, während ein Einziger noch zu fliehen versucht hatte. Er hatte sich keine fünf Meter von seinen Kollegen entfernt, ehe auch er sich dem Virus hatte geschlagen geben müssen.
    Es gab Hunderte von Geschichten, die die Toten erzählten: ein Mann und eine Frau, die sich innig umarmten, während sie starben; eine Serviererin, die sich die Zeit genommen hatte, ihr Getränketablett auf einen kleinen Tisch neben der Bar zu stellen, ehe sie zu Boden sank; eine Gruppe von jungen Frauen, die sich immer noch so dicht zusammendrängten, dass er zu dem Schluss kam, sie hatten wohl für ein Foto posiert, obgleich von dem Fotografen nichts zu sehen war. Nur seine teure Kamera lag zerschmettert auf dem Boden. Er konnte nicht in die verglaste Liftkabine schauen, die die Decks miteinander verband, weil die Scheiben mit Blut beschmiert waren.
    Juan setzte seinen Weg fort. Der Schutzanzug und die wieder aufbereitete Atemluft konnten ihn vor der Umgebung abschirmen, aber nichts vermochte ihn vor dem Grauen zu schützen, das ihn umgab. Er hatte noch nie einen Massenmord mit einem derartigen Ausmaß gesehen, und hätte er in der einen Hand nicht krampfhaft die Taschenlampe gehalten und die andere auf die Pistole gelegt, dann hätten sie – das wusste er genau – unkontrolliert gezittert.
    »Wie läuft es bei euch?«, fragte er über das Kommunikationssystem. Ihm ging es eher darum, eine andere menschliche Stimme zu hören, als zu erfahren, welche Fortschritte seine Leute machten.
    »Eddie und ich sind zur Krankenstation des Schiffes unterwegs«, antwortete Julia. Ihre Worte wurden durch Interferenzen der Stahlkonstruktion verzerrt.
    »Ich bin gerade im Begriff, den Maschinenraum zu betreten. Wenn ihr in einer halben Stunde nichts von mir gehört habt, dann soll Eddie mich suchen.«
    »Verstanden.«
    »Murph?«
    »Mit dem bisschen Notstrom ist der Schiffscomputer langsamer als mein erster PC«, sagte Murph. »Ich werde wohl eine Weile brauchen, um mir zu verschaffen, worauf wir scharf sind.«
    »Bleib dran.
Oregon,
hört ihr uns?«
    »Das tun wir«, erwiderte eine Stimme. Ein atmosphärisches Rauschen erschwerte es, die Stimme zu identifizieren, aber Cabrillo tippte auf Max Hanley. Er hatte niemals daran gedacht, die Sprechfunkgeräte, die mit den Anzügen geliefert wurden, gegen moderne, bessere Geräte auszutauschen. Eine der seltenen Nachlässigkeiten, für die er jetzt büßen musste.
    »Ist irgendetwas auf den Anzeigen der Instrumente zu sehen?«
    »Wir sind ganz allein, Juan.«
    »Falls jemand auftaucht, sagt mir sofort Bescheid.«
    »Darauf kannst du dich verlassen.«
    Die Tür, vor der Juan jetzt stand, trug die Aufschrift DURCHGANG NUR FÜR SCHIFFSPERSONAL und war mit einem elektronischen Schloss gesichert. Da das Stromnetz ausgefallen war, hatte sich das Schloss automatisch geöffnet, also drückte er die Tür auf und ging einen Korridor hinunter. Im Gegensatz zu den Räumlichkeiten der Passagiere, die mit Holztäfelung und mit kunstvoll gearbeiteten Deckenlampen dekoriert waren, hatte man sich in diesem Korridor mit schlichter weißer Farbe, Kunststofffliesen auf dem Boden und Leuchtstoffröhren an der Decke zufrieden gegeben. Bündel farbiger Leitungsrohre verliefen an den Wänden. Er ging an kleinen Büros für die Stewards und Purser vorbei wie auch an einem geräumigen Speisesaal für die Mannschaft. Hier gab es ein halbes Dutzend weitere Opfer, die entweder auf die Tische gesunken waren oder auf dem Fußboden lagen. Wie auch schon bei allen anderen, die Juan gesehen hatte, stellte er bei ihnen fest, dass sie Blut in großen Mengen ausgehustet und -gespuckt hatten. Ihre letzten lebendigen Sekunden mussten grauenvoll gewesen sein.
    Er ging an einer der chromfunkelnden Küchen des Schiffes vorbei, die jetzt einem Schlachthaus glich, und dann an einer Waschküche industriellen Ausmaßes, in der zwanzig Waschmaschinen so groß wie Zementmixer aufgestellt waren. Er wusste, dass bestimmte ethnische Gruppen den Service-Sektor der Kreuzfahrtindustrie beherrschten, und war nicht überrascht, dass das Wäscheteam aus Chinesen bestand. Es mochte wie eine rassistische Stereotypie erscheinen, aber in

Weitere Kostenlose Bücher