Sex and the Office
sengte, gewiss nichts zu tun. (Dafür waren meine Sicherungen kurz davor durchzubrennen!)
Mutter schlang sich hastig das Laken um. »Charly, es ist nicht so, wie du denkst!«
»Oh, ganz sicher ist es das«, entfuhr es mir, als ich meine Stimme wiederfand.
»Ach, komm schon – ich habe deiner Mutter lediglich geholfen, ihr Sexualchakra wieder ins Gleichgewicht zu bringen«, meinte Max, der sich in der Eile ein samtbezogenes Kissen geschnappt hatte, um sein bestes Stück zu bedecken.
»Ihr Sexualchakra?!« Angewidert verzog ich das Gesicht und blickte zu Mutter. »Es ist wohl besser, du gehst jetzt.«
»Mein Gott, bist du spießig«, murrte Mutter und stieg, ohne mir dabei in die Augen zu sehen, mit dem Laken aus dem Bett. »Ich nehme gleich morgen den ersten Zug nach Hause.«
Dem konnte ich nur zustimmen.
Max stöhnte leise auf. »Aber Charly …«
»Lasst mich einfach alle in Ruhe!«, fauchte ich und knallte kurz darauf die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zu.
17
Nach elf Zigaretten und einem halbstündigen Video-Chat mit meinen Mädels ging es mir schon deutlich besser. Es tat mir gut, mir den aufgestauten Frust von der Seele zu reden und mich mit den abenteuerlichen Geschichten von Becks und Valerie, die beide für ihre Überzeugung kämpften – die eine gegen die Ungerechtigkeit dieser Welt, die andere gegen den Heiratsunwillen ihres Freundes und die Bevormundung seitens ihres alten Herrn –, von meiner eigenen Misere ein wenig abzulenken. Und nachdem sich Becks aufgrund einer streng geheimen Mission vorzeitig verabschiedet hatte, chattete ich noch eine Weile mit Valerie weiter. Allerdings schien Valerie die Tatsache, dass ich nicht nur den letzten Funken Respekt vor meiner Mutter, sondern auch die Aussicht auf ein Volontariat verloren hatte, nicht halb so zu tangieren wie die Frage: »Und dein Chef will trotzdem noch, dass du ihn nach Venedig begleitest?«
»Ist das denn für dich so abwegig, dass er Gefallen an meiner Gesellschaft findet?«
Ihre Antwort kam verzögert. »Äh, nein … Aber, hast du denn überhaupt etwas zum Anziehen?«
Stöhnend verdrehte ich die Augen. »Ich weiß, dass das nicht in deinen Kopf geht, aber ich fühl mich ganz wohl so, wie ich bin.«
»So war das nun auch wieder nicht gemeint.«
»Ich fahre sowieso nicht mit.«
»Ach! Und wieso nicht?«
»Auch eine Expraktikantin hat ihren Stolz«, behauptete ich trotzig. »Außerdem, wie sieht das denn aus?«
Valeries Ausdruck wich einer besorgten Miene. »Charly-Schätzchen, hätte Friede Springer damals als Kindermädchen etwas auf die Meinung anderer gegeben, anstatt sich auf eine Affäre mit ihrem Arbeitgeber einzulassen, wäre sie heute nicht an der Spitze des Konzerns. Oder nimm dir ein Beispiel an Johanna Quandt, die war nur Assistentin und zählt heute zu den reichsten Witwen der Welt. Oder aber …«
»Valerie, lass gut sein«, unterbrach ich ihre Aufzählung und stieß einen langen Seufzer aus. »Wenn ich mich recht erinnere, warst du diejenige, die auf eigenen Füßen stehen wollte – und jetzt willst du mir allen Ernstes dazu raten, mich hochzuschlafen? Du bist wirklich eine tolle Ratgeberin!« Damit war das Gespräch für mich beendet. Auf Valeries kluge Ratschläge konnte ich getrost verzichten. Zudem wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie sich mir gegenüber in letzter Zeit seltsam verhielt, gerade so, als ob sie mir etwas verschwieg. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass wir in all den Jahren nicht auch unsere Differenzen miteinander gehabt hätten, dennoch konnte ich bisher behaupten, dass wir immer ehrlich zueinander waren.
Frustriert legte ich mich ins Bett und stand an jenem Abend nicht einmal mehr auf, um mir die Zähne zu putzen.
18
Samstag
An diesem Morgen lag ich bereits eine Weile wach, bevor ich mich aufraffte, aus dem Bett zu steigen. Ich hatte schlecht geschlafen und war mies gelaunt. Müde rieb ich mir die Augen und kippte das Fenster. Es war bereits nach zehn, und die grelle Morgensonne stach mir in die Augen, als ich bemerkte, dass Herr Lipkovski, der Greis aus der gegenüberliegenden Wohnung, herüberwinkte. Ich brachte ein flüchtiges Lächeln zustande und zog die Vorhänge zu. Anschließend tauschte ich mein Schlaf-T-Shirt gegen eine Jeans und ein graues Oversize-Sweatshirt, unter dem ich mich am liebsten verstecken wollte. Der schrecklich gut gelaunte Moderator im Radio ging mir an diesem Morgen mit seinem Geschwafel über diesen ach so grandiosen Jahrhundertsommer – der
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