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Sex and the Office

Sex and the Office

Titel: Sex and the Office Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Sternberg
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Aufzug stieg.
    Nach Leon Wenzels Rückkehr gingen weitere Wochen ins Land, und langsam, aber sicher hatte ich angefangen, mich in der Redaktion von NEWS direct heimisch zu fühlen. Selbst mit dem Ressort Wirtschaft stand ich inzwischen nicht mehr auf Kriegsfuß, sondern hatte – man glaubt es kaum – sogar Spaß daran gefunden. Im Grunde war es mir gleich, ob Wirtschaft oder Kultur und Gesellschaft – Hauptsache, meine Mühen würden mit dem Jackpot belohnt. Auch privat hatte sich in der Zwischenzeit so einiges bei mir getan. Während Valerie bei ihrem Immobilienmaklerfreund einen verdächtigen Diamantring entdeckt und Becks und mich schon im Vorfeld, ohne den stündlich zu erwartenden Heiratsantrag, zu ihrer Trauzeugin ernannt hatte, sträubte meine Mutter sich noch immer gegen eine Aussprache mit meinem Vater. Zu meinem Pech weigerte sie sich weiterhin hartnäckig, in ein Hotel zu ziehen, und mehr, um endlosen Abenden mit Mutter auf der Couch zu entgehen, hatte ich sogar angefangen, mich mit David zu treffen. Obwohl ich zugeben musste, dass David ohne seine alberne Baseballkappe gar nicht so übel aussah, war das Verhältnis zwischen uns rein platonisch, und das war gut so. Keine komplizierten Annäherungsversuche, kein nervenaufreibendes Kopfzerbrechen darüber, was der andere wohl von einem halten mochte, keine peinlichen Geständnisse. Der problematische Teil fiel einfach so weg, wenn man, wie wir, bereits Sex gehabt hatte, bevor sich eine Freundschaft entwickelt hat und nicht andersherum. Dass wir beide keine Erinnerung mehr an jene Nacht nach Max’ Geburtstagsfeier hatten, machte die Sache umso leichter. Und so hatten wir ganz unbeschwerte Abende im Freilichtkino verbracht, hatten Ausstellungen besucht, waren Burger essen gegangen, hatten endlose Spaziergänge entlang der Spree gemacht und, vorzugsweise bei einer Flasche Merlot, über Gott und die Welt diskutiert. Anfangs hatten wir uns nur ein-, zweimal pro Woche getroffen, inzwischen sahen wir uns beinahe täglich. David war ein guter Zuhörer, außerdem brachte er mich zum Lachen, und wir hatten beide eine Vorliebe für alte Dokumentarfilme und Schwarz-Weiß-Fotografie. In einem Anflug von Tollkühnheit hatte ich mich sogar dazu hinreißen lassen, ihm meine Fotografien zu zeigen. David war von meinen Werken hellauf begeistert und sprach mir sogar ein gewisses Talent zu. Weitaus weniger euphorisch wirkte David, wenn ich auf mein Praktikum zu sprechen kam. Erst recht, als ich ihm davon erzählte, mit meinem Chef demnächst nach Venedig zu reisen. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich schwören können, David wäre eifersüchtig auf Leon Wenzel. Was natürlich vollkommen unbegründet wäre.
    An einem regnerischen Freitag Ende August, rund zwei Monate nach meiner unfreiwilligen Begegnung mit Leon Wenzel bei Black Beans, war es dann endlich so weit: Der Tag der Entscheidung war gekommen. Ich hatte die halbe Nacht kein Auge zugetan, und als ich an jenem Morgen in die Redaktion kam, sah ich Franziska an, dass es ihr genauso ergangen war. Auch sie hatte sich in letzter Zeit mächtig ins Zeug gelegt, gar mit selbst gebackenem Kuchen aufgetrumpft, und war sich nicht zu schade gewesen, der alten Burbach die Tasche hinterherzutragen. Ihre Schleimspur reichte bis zu Leon Wenzel, dessen Hemden sie zweimal wöchentlich für ihn in ihrer Mittagspause aus der Reinigung geholt hatte.
    Der Redaktionsleiter hatte sich vor einer halben Ewigkeit mit unseren Praktikumsberichten in sein Büro zurückgezogen. Ich saß voller Ungeduld hinter meinem Schreibtisch und nestelte an meinem Collegeblock. Unweigerlich kam mir der Gedanke an jene Castingshows, in denen die Finalisten nach nervenaufreibender Tortur auf das erlösende Urteil der Jury warteten. Doch Leon Wenzel hatte es mit der Verkündung seiner Entscheidung nicht eilig gehabt, das große Finale kurzerhand auf den späten Nachmittag vertagt und war zu Tisch gegangen. Aber nicht nur meine Nerven lagen blank, auch Franziska ertappte ich dabei, wie sie Unmengen Chipsletten und Yogurette verdrückte. Um Punkt siebzehn Uhr hatte das Warten ein Ende. Trommelwirbel wurde in mir laut, als sich die Tür zu Wenzels Büro öffnete. Claudia Krüger trat in einem senffarbenen Hosenanzug heraus und bedeutete mir mit einem Fingerzeig, mich in das Büro des Chefredakteurs zu begeben. Doch warum sollte ausgerechnet ich mich zuerst in die Höhle des Löwen wagen? War das ein gutes Zeichen, weil Leon Wenzel es nicht erwarten konnte,

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