Sex - die 10 Todsünden
Arzt helfen. Aber Sie müssen den Mut haben, Ihre sexuellen Probleme mit ihm zu besprechen. Frauen nach der Menopause sprechen mit ihrem Arzt über alles, nur nicht über die Lustgefühle und die Schwierigkeiten beim Verkehr. Verwunderlich ist das nicht in einer Gesellschaft, die ältere Menschen ausgrenzt und ihnen das Gefühl gibt: Wenn du Falten hast, wenn du müde bist, wenn du weniger leistest, dann bist du auch nichts mehr wert. Schnell kommt dann die eigene Schlussfolgerung: Ich bin als individueller Partner nicht mehr attraktiv. Ich möchte Sie an dieser Stelle aufrütteln, dass Sie das nicht mit sich machen lassen. Lassen Sie es nicht so weit kommen, dass andere darüber bestimmen, wie begehrenswert Sie sich fühlen. Denn Attraktivität liegt nicht an einer faltenlosen jungen Haut, sondern an Ihrem Potenzial an Zärtlichkeit und an der Kenntnis Ihrer eigenen sexuellen Wünsche und denen Ihres Partners.
Wie sieht der Sex von Senioren aus, und was sagt die Statistik?
»Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an«, sang einst Udo Jürgens. Und so langsam dringt in unser Bewusstsein, dass das auch für die Sexualität gilt. Herrschte früher das Vorurteil, das Alter sei asexuell – die Sexualforscher William H. Masters und Virginia E. Johnson zum Beispiel interessierten sich nur für die Koitusfrequenz der bis zu 60-Jährigen – so kann man die letzten 30 Jahre als die Jahrzehnte des »Tabubruchs« bezeichnen. Dieser begann mit dem US-amerikanischen Starr-Weiner-Report über »Liebe und Sexualität in reiferen Jahren« aus dem Jahr 1981: Demnach schlafen rund 20 Prozent der älteren Paare ab 60 mindestens einmal pro Woche miteinander. 44 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen befriedigen sich darüber hinaus selbst. Zum ersten Mal räumte jemand systematisch mit dem Ammenmärchen auf, dass die Lust mit dem Alter schwinde. Auch bei Inge in unserer Geschichte merken wir recht bald, dass ihre Erklärungen, sie habe keinerlei Interesse an sexuellen Erlebnissen, zu stereotyp vortragen werden, um glaubhaft zu sein. Wie sich zeigte, hatte Martin einen guten Instinkt, als er hartnäckig versuchte, Inges Vorurteile langsam aufzuweichen.
Der Wandel in der Sexualität wird als Gewinn erlebt
So nach und nach griffen die Wissenschaft und die Presse das Thema auf. Aber erst im Jahr 2008 wurde in Deutschland dazu wieder eine Langzeiterhebung veröffentlicht, nämlich die »50+ Studie« des Osnabrücker Sozialwissenschaftlers Dieter Otten. Demnach haben rund 80 Prozent der Männer und gut 60 Prozent der Frauen zwischen 50 und 70 Jahren regelmäßigen und durchaus variantenreichen Sex. Diese höhere Zahl als im Starr-Weiner-Report kommt dadurch zustande, dass jetzt nicht nur allein die Koitusfrequenz gemessen wurde, sondern das gesamte sexuelle Spektrum. Der Heidelberger Altersforscher Andreas Kruse meint dazu: Sexualität und Erotik unterliegen im höheren Lebensalter einem Gestaltwandel, der von den meisten Frauen und Männern nicht als Verlust, sondern als ein Gewinn erlebt wird. Die Sexualität ist nicht mehr in dem Maße körperlich akzentuiert, wie dies in früheren Lebensjahren der Fall gewesen ist, sondern sie ist sehr viel stärker in den emotionalen Kontext der Beziehung eingebettet. Entsprechend gewinnt die Zärtlichkeit zunehmend an Bedeutung. Sie wird im Alter sehr viel häufiger als in früheren Lebensjahren als wichtige, wenn nicht sogar als zentrale Ausdrucksform von Sexualität begriffen. Wenn Zärtlichkeit ausgedrückt und gelebt werden kann, dann ist damit eine wichtige Voraussetzung für die Zufriedenheit mit der eigenen Sexualität gegeben. Dies ergaben Kruses Befragungen von alten und hochbetagten Menschen. Auch die Tatsache, dass die Zeitspanne bis zum Eintritt der vollen Erregung bei älteren Frauen und Männern deutlich länger ist als bei jüngeren, wird vielfach als potenzieller Gewinn und nicht als ein Verlust erlebt. Als Gewinn deshalb, weil damit auch deutlich mehr Möglichkeiten zum zärtlichen Austausch gegeben sind. Das heißt nun nicht, dass bei Älteren die Zärtlichkeit an die Stelle der Sexualität tritt. Aber es bedeutet, dass durch die langsamere Gangart die Zärtlichkeit wichtiger wird. Dies beschrieb auch Martin in unserer Geschichte.
Trotz zahlreicher Veröffentlichungen zu dem Thema nahm die Allgemeinheit die Tatsache, dass Ältere tatsächlich auch Sex haben, aber erst so richtig mit dem Film »Wolke 9« aus dem Jahr 2008 wahr. Darin wurde hierzulande erstmals ein altes Paar
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