Sex for One
Die Schaukelstühle knarren, die Vibrato-ren summen, und ab und zu lächelt und nickt einer nach
einem besonders gelungenen Orgasmus.
Die Verleugnung der Masturbation in unserer Gesell-schaft belegt die fortdauernde sexuelle Unterdrückung. Von
der Kindheit an haben wir Schuldgefühle wegen unserer
Masturbation und schämen uns. Ohne eine sexuelle Bezie-hung zu uns selbst können wir besser manipuliert werden
und akzeptieren den Status quo leichter. Ich glaube, die
Masturbation stellt den Schlüssel zur Aufhebung der sexuel-len Unterdrückung dar, besonders für Frauen, die sich für
frigide halten oder nicht sicher sind, ob sie beim Partnersex
einen Orgasmus erleben. Das gleiche gilt für Männer, die
frühzeitig ejakulieren oder beim normalen Verkehr nicht
genügend erregt werden, um einen Orgasmus zu erleben.
Masturbation ist für uns alle ein Weg, um etwas über
sexuelle Reaktionen zu erfahren. Sie bietet Gelegenheit,
unsere Körper und Seelen nach jenen sexuellen Geheimnis-sen zu durchforschen, die wir sogar vor uns selbst zu
verbergen gelernt haben. Wie kann man besser etwas über
Lust lernen als durch sexuelle Kreativität? Wir brauchen
uns nicht anzustrengen, um die Ansprüche oder Bedürf-nisse eines Partners zu erfüllen, brauchen weder Kritik
noch Zurückweisung oder Versagen zu befürchten. Sexu-elle Fähigkeiten sind wie alle anderen erlernbar; man erbt
sie nicht auf magische Weise.
Die Masturbation ist unsere erste sexuelle Aktivität. Auf
diese Weise entdecken wir unsere erotischen Gefühle, ler-nen, unsere Genitalien zu mögen und sexuelle Selbstach-tung aufzubauen. Es ist der beste Weg, sexuelles Wissen zu
erlangen und die alten Ängste und Hemmungen abzu-bauen. Besonders Frauen können so ihr Selbstbewußtsein
stärken, um mit ihren Liebhabern kommunizieren zu kön-nen. Befragt, was sich gut anfühlt, brauchen wir nicht mehr
mit der Lüge aufzuwarten: »Oh, alles, was du machst, ist gut
für mich.«
Gegen Ende der sechziger Jahre, während meiner eroti-schen Evolution, wurde die schuldfreie Masturbation zu
einem wichtigen Teil meiner sexuellen Heilung. Mein Sexualleben verbesserte sich schlagartig, und ich wollte diese
positive Erfahrung überall publik machen. Zuerst drückte
ich meine Freude durch erotische Kunst aus. Danach
schrieb ich Artikel und hielt Reden über die sexuelle Befrei-ung der Frau. Damals glaubte ich, Frauen litten stärker als
Männer unter der sexuellen Repression, und es wurde mein
feministisches Anliegen, die Masturbation zu liberalisieren.
Bald wurde ich zur Expertin auf diesem Gebiet, vorwie-gend, weil niemand anderer öffentlich darüber sprechen
wollte.
Als ich in meinen Frauengruppen über Masturbation zu
sprechen begann, merkte ich, daß wir Selbsthilfegruppen
brauchten, in denen es ausschließlich um Sex ging. Der
nächste Schritt war, Masturbations-Workshops anzubie-ten, Bodysex-Gruppen für Feministinnen, die bereit waren,
die sexuelle Liebe und Befreiung selbst in die Hand zu
nehmen. 1974 veröffentlichte das Magazin Ms meine An-sichten über Masturbation in einem Artikel. Die Reaktion
der Leser war so ungeheuer, daß ich mich ermutigt fühlte,
ein kleines Buch darüber zu schreiben. Dieses Büchlein
fand so viel Aufmerksamkeit, daß es meine ganze Zeit
beanspruchte. »Ich bin Malerin und keine Orgasmuskünst-lerin«, klagte ich damals. Aber da mir die Sache am Herzen
lag, widmete ich ihr all meine Zeit, auch wenn ich es
manchmal leid war, als »Mutter der Masturbation« be-zeichnet zu werden.
Alljährlich wollte ich mich aus den Bodysex-Workshops
zurückziehen, doch immer wieder veranstaltete ich neue.
Sexlehrerin ohne die entsprechende akademische Ausbil-dung zu werden war ein kühner Sprung, aber wo konnte
man ein Diplom in Masturbation machen? Ich fand, meine
künstlerische Ausbildung qualifiziere mich ausreichend,
um die Ästhetik der Selbstliebe zu erforschen. Manchmal
sah ich mich selbst als Performance-Künstlerin, und die
Workshops waren meine Kunstform, dann wieder glaubte
ich, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, und flüchtete
mich in mein Studio. Doch nach vierzehn Jahren einzig-artiger Studien auf diesem Gebiet, habe ich mir selbst den
Doktor in Masturbation verliehen.
Ich sagte früher immer, die Masturbation führe zum Sex,
doch jetzt weiß ich, daß Masturbation Sex ist. Wenn mich
das nächste Mal jemand fragt: »In welchem Alter hast du
das erste Mal Sex gehabt?«, heißt meine Antwort:
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