Sex ist verboten (German Edition)
Gesichter hoch oben an der Wand genauer erkennen. Bleiche Gesichter mit Kronen, Schlangen und Edelsteinen. Vermutlich Poster. Seltsam, dass man sie so hoch nach oben gehängt hatte. Fast unter die Decke. Vielleicht war das Dach schräg. Bei Mi Nu war ich in Sicherheit. Es sei denn, sie würde wild werden, wenn sie aufwachte. Was, wenn ich blutete? Ich sollte meine Hose wieder anziehen.Ich starrte diese bleichen, schwebenden Gesichter hoch oben in der Dunkelheit an. Sie lächelten alle. Aber zugleich blickten sie feierlich. Als meine Hände und Füße warm geworden waren, drehte ich mich um und schmiegte mich an Mi Nus Rücken. Es ist doch sinnlos, sich zu jemandem ins Bett zu legen und dann den anderen nicht zu berühren.
Sie trug ein Baumwollnachthemd. Ihr Körper war still und kühl. Ganz vorsichtig schob ich mein Gesicht in ihr Haar. Ich kuschelte mich ganz dicht an ihren Rücken. Meine Hände lagen auf ihren Schultern.
Ich atmete einen warmen Geruch ein. Nach frischem Brot. Ihr Haar roch nach frischem Brot. Fünf Minuten vergingen. Zehn. Es war eine Qual, neben ihr zu liegen, eine Qual der Lust, der Sorge. Sie war immer noch nicht aufgewacht. Sie hatte sich nicht verspannt. Wir könnten die ganze Nacht so daliegen. Ich könnte mich vor dem Morgengong davonschleichen und niemand würde es wissen.
»Wer ist das?«
Die Stimme war ganz sanft. Wie konnte sie aufgewacht sein, ohne sich zu rühren oder umzudrehen?
Ich wartete, aber sie wiederholte die Frage nicht.
Dann flüsterte ich: »Beth.«
Sie drehte sich nicht um. Sie schwieg. Körperkontakt ist im Dasgupta-Institut verboten, und ich war nackt und presste meinen Körper an ihr Nachthemd.
Leise sagte ich: »Ich muss dich etwas fragen.«
Sie gab keine Antwort. Jetzt war also der Moment gekommen, ihr eine tiefsinnige Frage zu stellen, eine, die meine Anwesenheit rechtfertigen würde. Mir fiel nichts ein. All die schlauen Fragen, die ich gehabt hatte, und jetzt fiel mir keine einzige davon ein. Mein Herz schlug laut. Sie war ganz still und weich. Ichberührte sie, aber es fühlte sich nicht so an, als ob sie mich berührte.
Dann seufzte sie und sagte: »Ich habe mich schon gefragt, wann du zu mir kommen würdest, Beth.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mi Nu war aufgewacht, und sie hatte mich nicht rausgeworfen. Sie ließ mich bleiben. Sie hatte mich sogar erwartet!
»Wir haben uns alle gefragt«, sagte sie.
»Was gefragt?« Plötzlich unglaublich glücklich, zwängte ich meine Arme um ihren schmalen Körper und hielt sie fest. »Was, Mi Nu?«
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie antwortete: »Wir haben uns gefragt, wann du dich entschließen würdest zu gehen.«
»Aber ich will gar nicht gehen. Ich habe mich zu gar nichts entschlossen.«
Wieder folgte ein langes Schweigen. Im Dunkeln hörte ich ein leises Klingeln. Als würden winzige Glöckchen von einem Luftzug bewegt.
»Wer sind die Leute oben an der Wand?«, fragte ich.
»Was für Leute?«
»Die Gesichter. Die Frauen.«
Sie zögerte. »Parvathi, Kali. Sie passen auf mich auf.«
»Sind es Göttinnen?«
»So werden sie von manchen genannt.«
»Ich wünschte, auf mich würde auch jemand aufpassen.«
Sie gab keine Antwort.
»Eigentlich habe ich mich gar nicht entschlossen zu gehen.«
Ich hielt sie in den Armen, aber sie war gar nicht da. Oder vielmehr, sie war da, aber sie lag nicht wirklich in meinen Armen. Dann dachte ich, ich sollte pragmatisch sein.
»Die Wahrheit ist, Mi Nu, ich habe jemanden getötet. Jemandist meinetwegen gestorben. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich brauche deine Hilfe.«
Meine Arme hielten sie fest umschlungen, aber sie war nicht richtig da. Sie lag neben mir, aber nicht in meinen Armen. Irgendwie war sie überall um mich herum, und ich war das Einzige im Zimmer, das nicht sie war.
»Ich möchte sein wie du, Mi Nu. Das wollte ich dich fragen. Wie kann ich werden wie du?«
Sie lag ganz still.
»Du bist vollkommen, Mi Nu. Wenn du meditierst, bist du wie der Mond. Du leuchtest. Wie kann ich auch so werden? Ich habe das Gefühl, du weißt Dinge, die ich auch wissen sollte.«
Ihr Körper bebte leicht. Sie lachte.
»Ist der Mond vollkommen?«
»Er ist wunderschön«, beharrte ich. Ich war sehr ernst und aufgeregt.
Meine kleine Bettflüsterin, sagte Jonathan immer.
»Ich habe oft gedacht, du bist wie reines Mondlicht, wenn du meditierst. So möchte ich auch sein.«
Sie seufzte. »Das ist Verlangen, Beth.«
»Es kann doch nicht schlecht
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