Sex ist verboten (German Edition)
die Ohrringe vorfinden, die Jonathan mir aus Indien mitgebracht hat, Zoes schwarze Schwanenbrosche und das merkwürdige Amulett mit dem in Bernstein eingeschlossenen Insekt, das Carl auf dem afrikanischen Markt in Bordeaux gekauft hatte. Schmuck ist auch etwas, das im Dasgupta-Institut verboten ist. Und Make-up, und Parfüm. Alles, was glänzt oder duftet. Das Amulett sollte einen vor dem plötzlichen Tod beschützen, sagte Carl, obwohl es auf mich eher wie ein böses Omen wirkte. Wer will schon in Bernstein konserviert werden? »Sobald du hier rauskommst, suchen wir uns ein ordentliches Hotel und duschen erst mal nach Herzenslust«, sagte er. Er war immer an meiner Seite, morgens, wenn ich aufwachte, und abends, wenn ich einschlief. Es war die letzte Augustwoche, und es gab keine Klimaanlage. Die Nachricht, die ich hinterließ, lautete: »Es ist aus, Carl. Es tut mir leid. Versuch nicht, mich zu erreichen.«
Bücher sind ebenfalls verboten. Ich hatte ein Exemplar von
Jules und Jim
weggeschlossen, das Jonathan mir geschenkt hatte. Und eine Gruppenbiografie von T. Rex. Und meinen MP3-Player. Sechzig Gigabyte. Der Akku wird leer sein. Der in meinem Telefon auch. Aber das Ladegerät ist auch dabei, und sobald ich es einschalte, werden alle alten Nummern und alle Nachrichten aus und nach New York wieder erscheinen, auch die letzte Nachricht,die ich an alle geschickt habe: ICH BIN IN EIN RETREAT GEFAHREN. MACHT EUCH KEINE SORGEN .
Kann man sich beschweren, dass keiner nach einem gesucht hat, wenn man die anderen ausdrücklich darum gebeten hat, es nicht zu tun? Vielleicht schon. Neun Monate sind eine lange Zeit für ein Retreat. Ich glaube, ein Mann, oder ein Elternteil, dem man etwas bedeutet, würde sich auf jeden Fall auf die Suche machen. Wie viele Retreats mag es in England geben? Ich schätze, die Polizei würde kaum länger als einen Nachmittag brauchen, um mich zu finden. Oder vielleicht hat ja jemand nach mir gesucht, und irgendein Idiot im Büro hat die Schülerliste durchgesehen und gesagt, nein, eine Elisabeth Marriot ist bei uns nicht unter den Meditierenden, ohne daran zu denken, dass ich die Helferin Beth war.
Nein, ich kann mein Telefon nicht einschalten, dachte ich, als ich mit meinem Tagebuchschreiber zurückging. Ich hatte immer noch dieses Gefühl der Ruhe, aber das Telefon war ein zu großer Schritt. Geoff lief zielstrebig voran. Er hatte einen echten Tag-zehn-, Zurück-zum-Alltag-Gang. Als wir an der Meditationshalle vorbeikamen, sagte ich: »Entschuldigen Sie, da ist Mi Nu, ich muss kurz mit ihr sprechen.« Und rannte los.
Sie trug Jeans und einen weiten schwarzen Baumwollpullover. Die Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Sie hätte eine x-beliebige Asiatin sein können. Das war auch so eine Sache an Tag zehn. Wenn das Schweigen gebrochen ist, wirken die Kursleiter auf einmal total normal.
»Mi Nu, es tut mir leid.«
Sie drehte sich um.
»Wegen gestern Nacht, meine ich.«
Sie ließ ihren Kopf zur Seite fallen. »Alles in Ordnung, Beth.«
»Lisa«, sagte ich. »Ich habe beschlossen, mich Lisa zu nennen.«
Sie sah verwirrt aus.
»Weißt du noch, du hast davon gesprochen, meinen Namen zu ändern? Das ist irgendwie Beth, aber nicht Beth, falls du weißt, was ich meine.«
»Aha.« Ich glaube nicht, dass sie mich verstand. »Du hast dich also entschieden, uns zu verlassen.«
»Nein, nein.«
Ich wünschte mir, dass sie noch etwas sagen würde, aber sie schwieg.
»Eigentlich dachte ich gerade, wie
nützlich
diese letzten paar Tage waren. Meine Gelassenheit. Ich bin definitiv ruhiger geworden. Noch einen Monat, und dann …«
Was dann?
»Du kannst jederzeit gehen und dann wiederkommen, weißt du, wenn du das möchtest.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das Dasgupta-Institut wird immer da sein. Du wirst hier immer willkommen sein.«
»Aber ich habe gar nicht daran gedacht, wegzugehen.«
Wenn sie mich rauswerfen wollten, dann mussten sie das schon sagen. Mi Nu legte zum Abschied die Hände zusammen. »Möge das Dhamma dich leiten, Lisa.«
Sie wandte sich ab und ging zu ihrem Bungalow.
Ich wäre ihr am liebsten gefolgt. Ich wäre am liebsten hinter ihr hergerannt und hätte sie darum gebeten, mir ihr Zimmer bei Tageslicht ansehen zu dürfen. Die Gesichter oben an der Wand. Ich wollte, dass sie mir sagte, ob sie mich rausschmeißen oder nicht. Ich wollte ihr sagen, wie viel es mir bedeutete, sie zur Freundin zu haben. Aber ich musste auch hinter meinem Tagebuchschreiberherlaufen. Es wäre gut,
Weitere Kostenlose Bücher