Sex ist verboten (German Edition)
nicht gehört, was ich gesagt habe? Am Telefon.«
Hatte ich tatsächlich nicht.
»Ich habe beschlossen hierzubleiben. Ich habe Harper gefragt, ob sie mich für ein paar Wochen als freiwilligen Helfer gebrauchen könnten, und er hat Ja gesagt.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nach allem, was du in deinem Tagebuch geschrieben hast …«
»Ich habe dir doch erzählt, dass ich in den letzten paar Tagen auf den Geschmack gekommen bin.«
»Aber wie willst du deiner Tochter von hier aus helfen?«
»Susie braucht meine Hilfe nicht. Das Einzige, was eilt, ist die Insolvenzanmeldung. Und die kann mein Steuerberater für mich erledigen. Ich muss höchstens kurz hinfahren, um ein paar Unterschriften zu leisten«
»Du kommst also nicht mit?«
»Nein.«
Ich ließ den Kopf zur Seite fallen. »Auch nicht der lieben kleinen Lisa zuliebe?«
»Es ist nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Du wirst keine weitere Chance bekommen, Mr. Tagebuchschreiber. Ich frage nie zweimal.«
Er sah verwirrt aus, aber er schüttelte den Kopf.
»Ist vielleicht auch besser so«, sagte ich und ging hinaus.
TIEFE TIEFE SANKHARAS
UM HALB ACHT WAR ICH WEG . Ohne Abschiede. Ich ging in mein Zimmer, stopfte meine Klamotten in meinen Rucksack und machte mich auf den Weg. Meredith hatte ja heute Morgen schon die Fliege gemacht. Stephanie war zum Saubermachen eingeteilt, Kristin und Marcia mussten zum Vortrag gegangen sein. Umso besser. Ich war nicht in der Stimmung, um Nachrichten zu hinterlassen. Wenn ich noch vor dem Schlafengehen nach Hause kommen wollte, dann musste ich mich beeilen. Das Dasgupta-Institut liegt nicht direkt an einer Hauptverkehrsader.
»Wiedersehen, Maus«, sagte ich. Es machte mich wütend, dass mein Tagebuchschreiber, der zu Anfang so beißend über Dasgupta gespottet hatte, den fetten Guru auf einmal Beth vorzog. Und das, nachdem ich ihm die Hosen angezogen und ihm einen Klaps auf sein Paket verpasst hatte!
Du bist nicht mehr Beth, erinnerte mich eine Stimme.
Draußen, zwischen der Meditationshalle und dem Speisesaal, blieb ich stehen. Wenigstens zu Mrs. Harper sollte ich noch etwas sagen. Nein. Ich lief eilig durch den Speisesaal, an der Küche und dem Büro vorbei und dann hinaus.
Es war ein windiger Abend im April. Jedenfalls glaubte ich, dass es April war. Ich hatte die Abfahrzeiten des Busses nicht nachgeschaut. Bis zur Straße musste ich anderthalb Kilometer auf einem Feldweg zurücklegen. Ich musste vor Einbruch derDunkelheit ankommen. Aber der Rucksack war schwer. Ich kam nur langsam voran. Die hohen Hecken, hinter denen sich Baumkronen erhoben, wirkten einengend. Beim Gehen merkte ich, dass ich voller Angst war. Angst wovor? Jede Zelle meines Körpers hatte Angst. Ich spürte die Angst auf der Haut. Ein Prickeln. Aber gleichzeitig war ich zuversichtlich, sogar ein bisschen aufgeregt. Ich atmete Angst, atmete Zuversicht, war lebendig in meiner Angst. Atme, Lisa, atme. Ich wollte der Angst ruhig und froh entgegentreten. Es waren auch Vögel zu hören. Abendgezwitscher. Und es gab Gerüche. Frisch gemähtes Gras, Holzfeuer, Dung. Zu dumm, dass es so viele Pfützen und Schlamm gab. Meine Turnschuhe waren schon total schmutzig. Zu dumm, dass ich meine Tage hatte. Ich hatte schon wieder vergessen, den Tampon zu wechseln. Und zu dumm, dass der Bus nur jede Stunde fuhr. Würde ich wieder anfangen zu rauchen? Ich wusste es nicht. Würde ich anfangen zu trinken? Mir einen Freund suchen, einer Band beitreten, einen Job annehmen, doch noch aufs College gehen. Wer ist Lisa Marriot?
Ich ging weiter, und mit jedem Schritt auf diesem matschigen Weg zwischen den hohen Hecken wurde ich ängstlicher, zuversichtlicher und aufgeregter. Von einer zischenden Ruhe erfüllt. Dann fiel mir ein: Dad hat Mum verlassen. Vor Weihnachten. Also vor vier, fünf Monaten. Ganz schön lange her. Der dreißigjährige Krieg war vorbei. Ein paar Monate ohne Beth, und das war’s, sie trennten sich. Alles fiel auseinander.
Gut so!
Wieder hatte ich einen kleinen Anfall von Angst und Glückseligkeit. Das Leben kann tatsächlich anders werden.
Anicca.
Es war erschreckend. Ich kann von vorne anfangen, dachte ich. Dachte Lisa. Wirklich von vvooorn anfangen. Ich konnte nach Hause gehen, heute Abend, und ich konnte von zu Hause weggehen,vielleicht schon morgen. Anstatt dort leben zu
müssen,
damit die beiden sich vertrugen, es dort aber
nicht auszuhalten,
weil sie sich eben nicht vertrugen. Plötzlich war ich nicht mehr sicher, ob meine Zeit im Dasgupta-Institut
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