Sex ist verboten (German Edition)
einzugehen. Wozu? Aber wenn ich das nehme, in dem er gerade schreibt, dann merkt er es. Und das ist das, in dem ich lesen will. Ich will wissen, was er vom Dasgupta-Institut hält. Was er von den Helfern und dem Essen hält. Vielleicht erwähnt er mich.
Die Leute müssen total krank sein, um diese ganzen Schmerzen aussitzen zu wollen und sich diesen ganzen Schwachsinn anzuhören
. Das hatte er gestern Abend geschrieben, nach dem zweiten Video, dem über den Edlen Achtfachen Pfad, über
sīla, samādhi, paññā
. Auf der nächsten Seite stand nur ein Satz, in ziemlich kleiner Schrift.
Du bist total krank, mein Lieber. Du du du.
Aber abgesehen von dem Tagebuch wollte ich auch einfach eine Weile in seinem Zimmer sitzen. Es gab dort eine Aura. Vielleicht ist es ein Geruch. Er hatte das Bett nicht gemacht. Ein Laken und drei Decken. Er muss um eine zusätzliche gebeten haben. Die Kälte setzt ihm vermutlich zu. Wie Jonathan. Wie Dad. Ältere Männer. Jonathan liebte es, wenn ich etwas riskierte, im Pub kurz meine Titten entblößte oder zwischen zwei parkende Autos pinkelte. Und als wir uns im Kino geliebt haben!
Match Point.
Zum Gähnen, dieser Film. »Du bist atemberaubend, Beth!« Er schüttelte den Kopf. Was ihn erregte, war das Risiko. Ich riskierte mehr und mehr. Der Abend mit Carl zusammen! Es gefiel ihm, wie selbstzerstörerisch ich sein konnte.
Dieser Typ hier lässt seine Klamotten auch überall auf dem Boden herumliegen. Dunkelblaue Unterwäsche. Ziemlich groß. Trainingshose. Ich setzte mich aufs Bett und atmete tief ein und aus. Nicht
ānāpāna,
sondern ein dicker fetter Seufzer. Diese ganzen Männersachen. Schmutzige Socken auf der Heizung, ein dicker Mantel über der Schranktür. Nagelschnipsel auf dem Nachttisch. Während ich tief atmete, breitete sich ein elektrisierendesGefühl von Glücklichsein und Unglücklichsein in mir aus. Beth-sein. Etwas an seinem Mantel sagt mir, dass er Raucher ist. Ich stand auf, um daran zu riechen. Ja. Ich ging zum Bett zurück, klickte seine Kulimine heraus, blätterte um und schrieb:
»Deine Schmerzen sind eine Tür. Geh hindurch.«
SEGNUNG
ICH WASCHE ZU GERN REIS und Kichadabohnen. Der Reis ist milchig-weiß, die Bohnen sind knallgelb. »Mischen Sie Reis und Bohnen zu gleichen Teilen auf 8 Ofenblechen und waschen Sie sie gründlich.« Ich nehme lauwarmes Wasser. Die Stahlbleche passen genau über das Waschbecken und unter den Wasserhahn. Drei Mal durchwaschen, steht im Rezept. Ich mache es immer mindestens vier Mal. Wenn man kaltes Wasser nimmt, frieren einem die Finger ab und es macht keinen Spaß. Im warmen Wasser dagegen fühlen sich die Körner zart und köstlich an, und man kann sich dabei vorstellen, wie man jemandem mit den Fingern durchs Haar streicht. Dummerchen. Man soll sich gar nichts vorstellen, sondern einfach mit weißem Reis und gelben Kichadabohnen zufrieden sein. Kaum lässt man Wasser aufs Blech laufen, wird alles milchig. Der Reis verschwindet und die kleinen Bohnen verlieren ihr Gelb. Das Wasser rinnt einem weich und glitschig um die Finger, während man sie in der Körnerpampe gleichmäßig hin und her bewegt. Dann neigt man das Blech leicht, das Wasser fließt ab und das Weiß und das Gelb kehren zurück, allerdings verändert, weicher.
Beim zweiten Waschen ist die Trübung des Wassers schwächer, wie Musselin, oder wie der Dunst, wenn man aus dem Flugzeug schaut und die Erde tief unten ganz bleich aussieht. Als wir nach Berlin geflogen sind. Nein. Wie es selbst, nicht wie irgendetwasanderes, nur wie es selbst. Wie Wasser, das Reis wäscht. Beim dritten Mal muss man sich schon anstrengen, um ein paar milchige Schlieren hervorzulocken. Wahrscheinlich hat das Rezept recht, eine vierte Spülung ist überflüssig, aber ich schaue so gern zu, wie das saubere Wasser über die sauberen, nassen Körner fließt.
Da heute ein ungerader Tag ist, ein Tag des Segnens, dachte ich beim fünften oder sechsten Blech daran, den Reis und die Bohnen zu segnen. Ich versuchte, hundertprozentig bei der Sache zu sein, als die sanften, weichen Körner zwischen meinen Fingern hindurchrannen und das Wasser zuerst milchig und dann wieder klar wurde. Materie, die sich unter meinen Händen wandelt.
Anicca.
Es ist besonders hübsch, Dinge durch sauberes Wasser zu sehen, selbst wenn die Dinge an sich gar nicht hübsch sind. Karotten, Sellerie, sogar Steckrüben. Wie nach zwei Stunden Meditieren, wenn sich die Gedanken und das ganze geistige Chaos geordnet haben, der
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