Sex ist verboten (German Edition)
Kopf klar ist, man seine Schuhe wieder anzieht, aus der Meditationshalle nach draußen tritt und die Grashalme, die Blätter an den Bäumen und sogar die Kleider auf der Wäscheleine einen seltsamen, transparenten Unterwasser-Eindruck erwecken.
Dann wünscht man sich, der Geist würde ewig in diesem Zustand bleiben, was ein Fehler ist, denn das wird er nicht, das kann er nicht, und folglich muss man sich auf eine Enttäuschung einstellen.
Dukkha.
Vielleicht ist der Wunsch, dass die Dinge so bleiben, wie man sie sieht, im Grunde der erste Schritt weg von der Erfahrung, so wie die Feststellung »Ich bin glücklich« definitiv der erste Schritt zurück zum Unglücklichsein ist. Man muss den Reis und die Bohnen als etwas betrachten, über das man sich freut, das man aber überhaupt nicht braucht. Du liebst es, Reisund Kichadabohnen zu waschen, aber wenn du die nächsten zehn Jahre oder für den Rest deines Lebens keinen Reis und keine zitronengelben Kichadabohnen mehr wäschst, dann macht das nicht das Geringste aus. So hättest du mit Jonathan umgehen sollen. So hättest du mit allem umgehen sollen.
Ich konnte es nicht. Ich freute mich über den Reis und die Bohnen, irgendwie, aber ich konnte sie nicht segnen. Ich fing an zu murmeln: »Aus tiefstem Herzen segne ich euch, Reis und Bohnen, dich, Reis, wegen deiner Milchigkeit, und euch, ihr Bohnen, wegen eures strahlenden Gelbs.« Idiotin. An Segnungstagen geht es darum, die Dinge
ohne Worte
zu segnen. Man sieht etwas Positives, und es geht einem das Herz auf, aber ohne jedes Verlangen. Wenn man Worte braucht, dann spielt man, dann zwingt man sich. Du liebst diese Bohnen kein bisschen, Beth. Du versuchst nur, deinen Kopf wieder in den Zustand zurückzuversetzen, in dem er war, bevor du dieses Tagebuch entdeckt hast. Ich spülte den Reis und die Bohnen zu Ende und schaltete den Ofen ein, um ihn vorzuheizen.
Vikram, der Kopf der Küche, schaut während jedes Retreats ein, zwei Mal vorbei und regt sich auf, weil alle improvisieren, anstatt die Rezepte buchstabengetreu zu befolgen. Meistens sind es die ausländischen Frauen, die zeigen wollen, wie viel besser die französische oder spanische oder indische Küche ist. Sie kommen an einen Ort, an dem wir eigentlich unser Ego ablegen sollen, und tun sich hervor mit ihrem Wissen über Kräuter und Soßen, so als wären wir in einer Fernsehshow. Ines ist über die Pfanne gebeugt. Ihr Gesicht glänzt vor Tugend, während sie Brokkoli und rote Paprika mit Curry würzt, probiert, dies hinzufügt, probiert, jenes hinzufügt. Ich nicht. Beth Marriot hält sich streng an das Rezept. Mein Geschäft ist die Musik, nicht das Kochen. Allerdings kenne ich die Launen der Kipppfanne, und das ist mehr,als Ines von sich behaupten kann. Wenn sie fragt, ehe es zu spät ist, springe ich ein und erkläre es ihr. Als wir zum ersten Mal zusammen ausgegangen sind, hat Jonathan mich gefragt: »Kannst du eigentlich kochen, Beth?« »Meine Mutter kocht so gut«, habe ich geantwortet, »da würde es keiner wagen, zu konkurrieren.« »Ich mag es, wenn ein Mädchen nicht kochen kann«, sagte er lachend. »Dann kann ich ihm zeigen, was für tolle Restaurants ich kenne.«
Bei Jonathan fragte man sich immer, ob er das Gleiche wohl schon zu zehn anderen Frauen gesagt hatte. Oder zu fünfzig. Später wurde mir klar, dass er damit meinte, er mag Mädchen, die sich nicht wie Ehefrauen benehmen, die nicht versuchen, ihn zu besitzen. Carl hat immer gekocht. Wir hatten nicht genug Geld, um essen zu gehen. »Wenn wir erst eine Familie haben, Beth, dann musst du es lernen«, sagte er. »Bis dahin haben wir eine Haushälterin«, erklärte ich. »Wir werden reich sein und in Hotels wohnen.« Carl mochte es nicht, wenn ich so etwas sagte. Er hatte keine Ahnung, was er mit dem Gewinn machen würde, wenn
Pocus
groß herauskäme. »Du gibst so schnell Geld aus, Beth«, sagte er.
Ist Vikram schwul? Ich glaube nicht. Dasgupta-Männer haben mit dem Sex abgeschlossen. Sie haben ein Gelübde abgelegt. Er ist untersetzt, versucht aber, groß zu wirken. Hat ein säuberlich gestutztes Bärtchen. Wenn man ihm eine Frage stellt, gibt er einem das Gefühl, unglaublich dumm zu sein. »Jeder, der mit den Rezepten herumexperimentiert, macht sich des Vandalismus schuldig«, sagt Vikram. Seine Besuche fallen mit der Ankunft des Lieferwagens zusammen. Wir gehen raus in den Regen und holen Kisten voller Sellerieknollen, Karotten und Salatköpfen herein. Der Fahrer zwinkert mir zu, als er
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