Sex ist verboten (German Edition)
zu lügen, zu lästern oder zu spotten. Im Schweigen wird einem bald klar, dass das Ich nur Illusion ist. Was für ein Ich kann es geben, wenn ich schweige, wenn ich zu den Mahlzeiten mit der Bettelschale in der Hand erscheine? Aber wenn wir helfen und es Dinge zu tun gibt, ah, meine Freunde, dann halten wir uns für wichtig. Ist es nicht so? Wir fangen an zu
konkurrieren.
Wir wollen die Besten sein. ›Ich bin der beste Helfer, ich habe die wichtigsten Aufgaben verdient.‹«
Marcia seufzte tief. Als ich meine Augen öffnete, sah ich, dass sie den kleinen Finger ihrer rechten Hand tief in das linke Nasenloch gesteckt hatte. Sie war ganz vertieft, sie lauschte Dasguptas Worten und erforschte ihre Nase. Unwillkürlich sprang ich auf, zog die Tür auf, schlüpfte hindurch und schloss sie hinter mir.
Verflixt!
Ich stand auf der Veranda. Ich zitterte. Warum? Rechts von mir lag der Flur und Mi Nus Wohnzimmer. Ich nehme an, dass es ihr Wohnzimmer ist. Ein kleiner Buddha saß neben der offenen Tür. Es lag eindeutig ein Geruch in der Luft, wenn auch nur ein schwacher. Nach Jasmin? Eindeutig eine Aura, ein schwaches grünes Leuchten, wie unter Blättern im Wald. Eine besondere Stille. Sie zog mich an, so wie der Geist, wenn man endlich nah herankommt, vom
jhāna
angezogen wird; man spürt den Sog der Stille, den Sog der Leere. Ich könnte also jetzt sofort dort hingehen und Mi Nu diese Frage stellen. Warum kann ich nicht gut sein, Mi Nu? War das die Frage? Warum kann ich nicht glücklich sein? Oder, warum möchte ich gut sein, wenn ich es offensichtlich nicht bin? Was habe ich mir dabei gedacht, als ich ins Meer gerannt bin? Warum bin ich nicht gestorben, Mi Nu? Warum bin ich nicht gestorben? Warum kann ich nicht sterben? Jetzt gleich.
Ich stand auf der Veranda. Es war nicht nötig, bei Marcia zu sitzen. Warum hatte Mrs. Harper mich darum gebeten? Als wäre eine praktizierende Anwältin nicht in der Lage, sich die Rede über den Dhamma-Service alleine anzuhören. Lehr mich, so zu sein wie du, Mi Nu. Wie kann ich sein wie du, wie kann ich in deiner Welt leben? Vielleicht ist das die Frage.
Ist sie es?
Dann hörte ich ein seltsames Geräusch. Ein Wehklagen. Oder ein Wimmern. Ganz leise. Was war das? Ich trat einen Schritt vor. Eine Möwe? Ein Wasserkessel? Jetzt ein Glucksen. Komisch. Eindeutig ein dunkles Glucksen. Ein Knurren!
Ich drehte mich um und ging raus.
Ich verließ den Bungalow, ging an der Meditationshalle vorbei, am efeubewachsenen Zaun entlang, der die Geschlechter voneinander trennt, hinunter zum Speisesaal, durch den Frauenbereich in die Küche, dann auf der Männerseite wieder zurück, nach draußen auf das Gelände der Männer und direkt in den Schlaftrakt A zum Zimmer des Tagebuchschreibers.
Ich hatte mir nicht vorgenommen, dort hinzugehen. Ich ging einfach hin.
BETH AUF DEM BETT
Ich schicke mich in meine Strafe. Mir bleibt nichts anderes übrig. Ich bin gefangen.
Die geführte Sitzung war ungefähr zur Hälfte um, als ich ankam. Ich hatte Zeit. Mrs. Harper denkt, ich bin bei Marcia. Ich machte es mir auf dem Bett bequem.
Mir war nie bewusst, wie flüchtig mein geistiges Leben war. Eine Endlosschleife ohne Bezug zur Realität.
Eben noch hatte ich überlegt, Mi Nu zu fragen, wie ich werden konnte wie sie – ich hatte das einladende Licht gesehen, den Hauch von Räucherstäbchen gerochen, der von dort kam, wo der Flur in die Stille des Hauptraums des Bungalows überging – und jetzt lag ich auf dem Bett eines Mannes in einem Zimmer, das eindeutig
diesen
Geruch hatte: nach Socken, nach dem Mantel eines Rauchers, nach benutzten Laken.
Ich zog die Schuhe aus und legte mich hin. O Gott. Es fühlte sich genau an wie früher. »Ich sitze Modell für ein Bild«, erklärte ich seiner Frau, als sie mich dort erwischte. Ich hatte den Schlüssel in der Tür gehört und einen Jungenhaarschnitt auf einem alternden Kopf gesehen. »Und da lässt er Sie in seinem Studio wohnen und in seinem Bett schlafen?« Sie wirkte nur müde,nicht wütend. »Mir war kalt«, sagte ich. Jonathan war schockiert, dass seine Frau ohne Vorwarnung vorbeigekommen war. »Wir leben schon seit Jahren nicht mehr zusammen«, sagte er empört. »Sie hat den Schlüssel nur für Notfälle.«
Ich blätterte um.
Nur eine Störung, ein Strudel im Stauwasser, der sich dreht und dreht, immer dasselbe Wasser, das im Kreis fließt, mit immer denselben welken Blättern darauf. Meinen Gedanken.
Wieso lese ich den Quatsch von diesem Alten? Ich
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