Sex ist verboten (German Edition)
mittleren Alters. Unterdessen ist seine heiß geliebte Mätresse besorgt, dass das Kind, das sie unter dem Herzen trägt
Schritte waren zu hören. Ich sprang aus dem Bett und schob den Vorhang zur Seite. Die Leute strömten aus der Meditationshalle. Zehn Minuten Pause vor dem abendlichen Videovortrag. Alle wollten pinkeln gehen, sich die Beine vertreten, ein Glas Wasser trinken. Die Tür am Ende des Korridors schlug zu. Männer warfen ihre Schuhe ab und tapsten über den Holzfußboden zu ihren Zimmern.
Beth paralysiert. Zu spät, um es bis in die Küche zu schaffen. Könnte ich mich in die andere Richtung wegschleichen, zu den Klos in Gebäude A, und mich dort in einer Kabine verstecken? Na los, geh schon!
Ich rührte mich nicht.
Atmen. Kontrolliere deinen Atem. Kontrolliere deine Erregung. Konzentrier dich auf die körperliche Unruhe, dann wird die geistige vergehen. Sagt Dasgupta.
Ich atmete. Ich spürte den Atem auf den Lippen, meine Brust hob und senkte sich.
Schritte auf dem Flur. Eilig. Türen, die geöffnet und geschlossen wurden. Im Dasgupta-Institut gibt es keine Schlösser. Jemand setzte sich im Nebenzimmer aufs Bett und seufzte. Jemand machte ein Fenster auf.
Männer überall.
Sie haben nur ein paar Minuten zwischen den Sitzungen. Die meisten dürften in den Speisesaal gegangen sein, um eine Tasse Tee zu trinken. Oder auf einen Spaziergang nach draußen.
Ich setzte mich aufs Bett und hob seinen Stift vom Fußboden auf. Er schreibt mit Füller.
»Du liebst deinen Schmerz zu sehr.«
Die Feder kratzte.
Schritte wurden vor der Tür langsamer, dann entfernten sie sich wieder. Andere kamen aus Richtung Badezimmer zurück. Jemand ließ etwas fallen.
Ich saß da und wartete.
GH.
Gary, Graham, Greg, Gerald. Gerald ist scheußlich.
Dann wurde ich überwältigt von der Frage: Was mache ich hier? Warum warum warum? In der Falle, im Zimmer eines Mannes, in einer Gemeinschaft, die alles tut, um Männer und Frauen voneinander zu trennen. Ich hatte genau gewusst, dass mein Tagebuchschreiber zurückkommen würde, wenn der Gong ertönt.
Er ist nicht
dein
Tagebuchschreiber.
Warum bin ich nicht eher gegangen? Warum läuft es immer darauf hinaus, dass ich mir Fragen über mein Verhalten stelle? Mein Fehlverhalten. Du bist ins Dasgupta-Institut gekommen, als du verzweifelt warst. Du warst ganz unten. Denk daran, wie schlimm es war. Du konntest niemandem gegenübertreten, niemandem in die Augen schauen, schon gar nicht dir selbst. Du warst krank krank krank. Dasgupta hat dich gerettet. Das hat er wirklich. Er hat dir einen Weg gezeigt. Tot oder lebendig, seine Reden sind fantastisch, fantastisch hilfreich. Nur leider bin ich noch nicht ganz so weit. Ich befinde mich auf dem Dhamma-Pfad. Versuche, ihn zu gehen. Alle im Dasgupta-Institut haben irgendeine Geschichte hinter sich. Warum wären sie sonst hergekommen? Wir sind hier, um unsere Geschichten abzuwerfen, nicht um sie niederzuschreiben, nicht um anderer Leute Tagebücher zu lesen. Weil ich mein eigenes Leiden vermisse, lese ich über seins. Was bescheuert ist. Total bescheuert. Ist das der Grund, warum die Leute Bücher lesen? Weil sie leiden wollen. Jonathan liebte traurige Filme. Die ganzen schwedischen und französischen Videos, die ich mir mit ihm ansehen musste. Tarsky, Tartosky? Ich konnte sie nicht ausstehen.
»Warum soll ich deine finstere Weltsicht unbedingt teilen, Jonnie?«
»Man ist dann sicherer, Beth. Sicherer.«
»Ich will aber gar nicht sicher sein, Jonnie. Vielen Dank auch.«
»Ich weiß, Beth. Darum liebe ich dich.«
»Tust du nicht.«
»Doch, Beth.«
»Wenn du mich lieben würdest, würdest du um mich kämpfen. Dann wärst du eifersüchtig auf Carl.«
»Ich liebe dich, Beth.«
»Nicht genug.«
Ich stand am Abgrund. Ich bin wieder dort. Ich rutsche ab, zurück dorthin. Wehr dich. Atme. Die Schritte waren jetzt nicht mehr zu hören. Er kommt nicht. Ich kann einfach abwarten. Am Ende des Flurs hatte es jemand eilig. Ich fühlte mich sehr
da,
in dem Zimmer, auf seinem Bett. Keine Möglichkeit, mich zu verstecken. Verletzlich. Angespannt. Und zugleich ziemlich weit weg. Ruhig. Tot.
Überhaupt nicht
da. Nach dem Motto: wenn er käme, na und? Immer wenn ich etwas fühle, fühle ich auch das Gegenteil. Vielleicht wird es dadurch erst wirklich.
Ich schaute zu dem Tagebuch auf meinen Knien hinunter. Auf die geneigte Handschrift. Fast horizontal. Eilig darauf bedacht, die Seite zu vertilgen. Wie dumm, zu glauben, man könne eine
Weitere Kostenlose Bücher