Sex ist verboten (German Edition)
Haferbrei, zum Müsli, zu den Backpflaumen und dem Toast. Ich bin für immer hier. Jetzt der Vers
Dharama ganga ke tira para.
Noch zehn Minuten. Fünf. Der Gesang im Dasgupta-Institut dauert ewig. Er war schon da, bevor die Meditationshalle gebaut wurde, und wenn das Institut längst vergessen und die Aufnahme verloren ist, wird der Gesang immer noch weitergehen. Ob Dasgupta lebt oder tot ist, spielt keine Rolle. Dasgupta war schon immer tot. Dasgupta ist immer lebendig.
Saba ke mana ke dukha mite.
Der Gesang kam von lange davor und lange danach. Ich kenne den Text nicht, aber meine Lippen bewegen sich trotzdem dazu. Meine Lippen kennen den Text. In wenigen Augenblicken wird er enden, und die Meditierenden werden losrennen, um eine Banane zu ergattern. Er wird nicht zu Ende sein. Es wird keine Bananen geben. Der Haferbrei wird schrecklich real sein, der Geruch nach Haferbrei, und vor allem die Klumpen im Haferbrei. Danke, Paul, danke, Rob. Er wird kein bisschen real sein.
»Das bin doch nicht
ich«,
sagte ich zu Jonathan, als er mir sein Bild zeigte. »Ich trage nie lange Röcke, ich trage nie Rot, und ich gehe auch nicht barfuß. Ich habe zu viel Angst vor Hundescheiße.«
»Das bist du, so sehr, wie ein Bild es nur sein kann, Beth.«
»Und die Vögel? Die Vögel gefallen mir.«
»Die Vögel sind auch ein Teil von dir, Beth. Und der Bach. Vielleicht ganz besonders der Bach. Oder vielleicht ganz besonders der Himmel.«
»Ich sehe keinen Himmel.«
»Ich bete dich an, Beth«, sagte er.
Wie kann etwas sein, was es ist und zugleich sein Gegenteil? Wie kann etwas frei
und
gefangen sein? Wie kann etwas hart und flüssig sein? Wie kann das Leben glücklich und schrecklich sein? Wie kann das sein, Mi Nu? Wie kann ein Mann mich anbeten und mich trotzdem nicht wollen? Wie kann Liebe Hass sein und Hass Liebe?
Saba ka mangela, saba ka mangela, saba ka mangela, hoya-re.
Bei der letzten Strophe kommt eine Frauenstimme hinzu. Es klingt, als wäre sie da, als würde sie neben ihrem Mann herlaufen, während er mit seiner rauen, kehligen Stimme singt. Sie singt neben ihrem Mann, flüssig und lieblich. Ich sehe sie vor mir, wie sie sich in ihrem Sari hin und her wiegt.
Saba ka mangela hoya-re.
Sie trifft weder den Takt noch die Melodie, aber es klingt absolut richtig. Es zerreißt einem das Herz. Wie oft habe ich Zoe gesagt: um Haaresbreite nicht synchron, einen Tick neben dem Ton? Durch diese winzigen Unstimmigkeiten dringt Leben ein, dringt Sehnsucht ein, Leidenschaft. Durch die winzigen Risse zwischen Einklang und Missklang. Tränen strömen über meine Wangen. Ich werde in der Meditationshalle nicht weinen. Ich weine nicht. Ich bin vollkommen glücklich, vollkommen. Ich bin niemand. Ich kann für immer im Dasgupta-Institut leben. Ich kann frei sein von allen Anhaftungen, frei von allen Aversionen.
Bavatu sava mangelam.
Mögen alle Wesen glücklich sein. Mögen alle Wesen friedlich sein. Mögen alle Wesen befreit sein, befreit befreit befreit.
Sadhu, sadhu, sadhu.
DAS DASGUPTA-HANDBUCH
ES FUNKTIONIERT NICHT .
Wenn es funktionieren würde, würde ich nicht Zuflucht zum Schreiben nehmen. Ich möchte im
jhāna
sein. Ich wollte, dass
jhāna
mich neu erschafft. Das hat nicht geklappt. Ich habe
anicca
am eigenen Leib erfahren, den ständigen Wandel, den ständigen Fluss, in dem jedes Atom von Geist und Materie entsteht und vergeht, entsteht und vergeht. Es hat mir keine Weisheit gebracht. Ich habe gespürt, wie mein Körper mit der Luft verschmilzt. Ich bin aus der Meditationshalle gekommen und war eins mit dem Gras, eins mit den Bäumen, habe ganze Kathedralen aus Blättern in meiner Brust rascheln gehört, meine Augen in der Rinde blinzeln gesehen, den Himmel in meinem Kopf gespürt, meine Fingerspitzen wie Blütenblätter glänzen gesehen. Aber es hat mir keinen Frieden gebracht. Ich bin in das Summen einer Hummel verfallen, die von Blüte zu Blüte taumelt. Aber ich bin nicht geheilt. Ich habe
paññā
nicht erreicht, geschweige denn
nibbāna.
Du bist eine dumme Gans, Beth, du spielst mit Dingen, die du nicht verstehst. Du gehst in den Speisesaal, und alles verfestigt sich, alles wird ekelhaft. Du schaufelst dir Müsli in die Schüssel, häufst dir Toast auf den Teller und nimmst dir stapelweise Äpfel und Orangen. Alles wird hart. Dein Körper ist ekelhaft und hart. Deine Kiefer mampfen. Dein Hals schluckt. DeinBauch schwillt an. Dein Geist ist habgierig und zweckorientiert. Das sind Dasguptas Worte. Habgierig und
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