Sex ist verboten (German Edition)
nippte im Stockdunkeln daran und sog den duftenden Dampf ein. Trotzdem ist es mir in den acht Monaten, die ich jetzt hier bin, nicht gelungen, mit jemandem zusammenzustoßen. Dabei sind meine Augen ausgesprochen schlecht.
Tag 7: Drei Sachen führen Krieg gegeneinander:
1. Erfahrung beim Stillsitzen: der Atem, der Geist versinkt im Körper, der Körper zieht den Geist durch sich hindurch, wie einen Lebenssaft. Eindeutig etwas Neues. Für das sich das Herkommen lohnt.
2.Meine Gedanken wehren sich dagegen, fordern lautstark die Rückkehr zu Elend und Melodram. Starker Wunsch, alles wegzuwischen, im Kopf die totale Tabula rasa zu machen. Wie?
3. Dasguptas abendliche Erläuterung dessen, was in meinem Kopf, in unser aller Köpfen, vorgeht: unsere körperlichen und geistigen Schmerzen sind »die Folge von angesammeltem Karma oder sankharas, die dem Prinzip des bedingten Entstehens unterliegen«.
Keine sehr hilfreiche Erklärung.
Habe ganz vergessen, den Höhepunkt des Tages zu erwähnen: ein Pflaster in meinem Salat. Muss an jemandes Finger geklebt haben. Ich war schon aufgestanden, um mich bei einem Helfer zu beschweren, ließ es dann aber sein. Wollte die Edle Stille nicht brechen. Das Schweigen ist das Beste an diesem Ort, wie ein Kokon. Ich hätte nie gedacht, wie intim es sein kann, schweigend gemeinsam zu essen.
Merediths Pflaster im Waldorfsalat dieses Herrn. Sie ist unmöglich.
Die zweite Zigarette schmeckt nicht so gut wie die erste. Ich muss mich schon räuspern.
Bedingtes Entstehen ist ein seltsamer Ausdruck. Könnte ein guter Titel für einen Roman sein. Nichts ist ganz es selbst. Alles entsteht als Folge bestimmter Bedingungen. Nichts ist unabhängig oder dauerhaft. Ergo braucht man, um etwas loszuwerden, nur die Bedingungen für sein Entstehen abzuschaffen.
Ganz einfach.
Buddhismus ist eine optimistische Art zu leben, sagt Dasguptamit seinem drolligen Galaabend-Lächeln. Es gibt das Leid, aber es gibt auch das Ende des Leids, einen Weg, der die Bedingungen beseitigt, die es dem Leid erlauben, zu entstehen. Ich fange langsam an, ihn zu mögen, so wie man einen alten Angeber lieb gewinnt. Er erzählt eine Menge Müll, eine Menge selbstbezogenes Zeug, aber auf seine Art ergibt es einen Sinn. Es ergibt einen Sinn, wenn jemand auf selbstbezogene Art gegen die Selbstbezogenheit predigt. Wie sollte er sich der Gefahren der Selbstbezogenheit bewusst sein, wenn er nicht selber unerträglich selbstbezogen wäre? Voller Selbstbezogenheit predigt er gegen die Selbstbezogenheit und gewinnt auf diese Weise bewundernde Anhänger. Sehr praktisch. Vielleicht habe ich das schon erwähnt. Die Hälfte der Schriftsteller, deren Werke ich verlege, schreibt voller Empörung über Stolz und Arroganz und empört sich noch viel mehr, wenn niemand sie beachtet.
Selig sind die Armen im Geiste, sagt Jesus geistreich.
Ich mag Dasguptas glänzende Wangen und seine makellos weißen Outfits in dem roten Sessel. Er trägt goldene Manschettenknöpfe. Ich mag seine stolze Miene, wenn er von seinen Zuhörern einen Lacher geerntet hat. Dem Kichern nach zu urteilen, muss es ein amerikanisches Publikum gewesen sein. Hauptsächlich Frauen. Oder zumindest sind es die Frauenstimmen, die man hört. Auf dem Video ist niemand zu sehen außer Dasgupta selbst. Vielleicht reagieren die Männer nicht, weil sie spüren, dass sein Geplänkel eher an die Damen gerichtet ist. Ob Gurus ab und an auch mal eine Nummer schieben, wenn ihr Schwanz aufgrund bestimmter Bedingungen in voller Pracht ersteht? Ich habe die ganze Woche noch keine Erektion gehabt. Kein Wunder, ohne T und ohne Pornos.
Ist das alles, woran Männer denken?
Jonathan war der Meinung, die moderne Zivilisation könne ohne Pornografie nicht überleben. Öffentlich verdammt, aber privat genossen, sagte er.
Also, keine Bedingungen, kein süßes Erstehen. Vielleicht muss man Buddha sein, um das Offensichtliche zu sehen.
No woman no fuck.
Keine Frau kein Fick.
Keine Fick keine Kinder.
Keine Ehe keine Scheidung.
Keine Flasche kein Besäufnis.
Keine Firma keine Pleite.
Kein Gewehr kein Schuss.
Keine Geburt kein Karma.
Kein Karma keine Geburt.
Das Ziel des Buddhismus: die Bedingungen für ein erneutes Entstehen, für die Wiedergeburt, nicht zu schaffen.
Das Gegenteil von Jesus. Der will, dass alle auferstehen.
Im Buddhismus ist das Geborenwerden an sich schon Zeichen des Versagens. Altes Karma sorgt dafür, dass alles wieder von vorne losgeht. Tut uns leid, Kindchen, du hast’s
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