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Sex ist verboten (German Edition)

Sex ist verboten (German Edition)

Titel: Sex ist verboten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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uns in irgendeiner Weise unterlegen war. Es macht bestimmt großen Spaß, sich vom Dach abzuseilen und die Meditierenden aus der Ruhe zu bringen.
    Spinnen machen mir überhaupt nichts aus. Ich könnte meditieren, während Spinnen überall auf mir herumkrabbeln. Aber ich erinnere mich an eine wilde Szene mit Zoe in einem Motel-Badezimmer.
    Frage: Können wir die Theorie vom bedingten Entstehen beibehalten und die Reinkarnation weglassen?
    Wir haben kein Ich. Das Video von gestern Abend. Was wir als Ich erleben, ist eine Mischung aus fünf chemischen Grundelementen (welche habe ich vergessen). Die ständige Fluktuation besagter Elemente, oder Aggregate, bedingt die Umstände, unter denen in einem beliebigen Moment ein Bewusstsein entsteht. Daher die Instabilität. Daher die Schwierigkeit, Entscheidungen zu treffen. Daher die Schwierigkeit, zu erkennen, wer man ist.
    Hat Sinn.
    Was sind/waren also in meinem Fall die Bedingungen, die zu dem geführt haben, was heute in meinem Kopflos ist? Die Bedingungen für das Entstehen dessen, was ich bin?
    Wie hat alles angefangen?
    Als sie mir bei Dads Büro-Dinner zum ersten Mal gegenübersaß?
    Großer roter Mund, blumiger Duft.
    Sofort, wirklich sofort, war sie die Mutter, die ich gerne gehabt hätte. Eine, die sich die Zeit nimmt, mich wahrzunehmen, mich zu lieben.
    Sofort, wirklich sofort, war ich das Kind, das zu bekommen sie sich viel Zeit gelassen hatte. Das Kind, das ihr das Gefühl geben konnte, gelebt zu haben.
    Natürlich war uns das nicht klar, aber wir hatten definitiv ein Gefühl von Schicksalhaftigkeit.
    Sie sah die Gefahr. Wir hatten einmal betrunken gefickt, und schon ergriff sie die Flucht.
    Ich konnte nicht zulassen, dass sie mir entkam. Einer, der fünf ältere Brüder hat, lässt sich von einer Frau nicht sagen, sie brauche einen älteren Mann.
    Ich spürte sie auf, belagerte ihr Telefon, stand unter ihrem Fenster.
    »Was du brauchst, ist ein Kind.«
    »Du bist zu jung.«
    »Und du kannst nicht länger warten.«
    Sie hatte eine unglückliche Zeit mit einem verheirateten Mann hinter sich. Sie trank zu viel. Sie war interessant. Ich konnte ihr helfen. Ich verliebte mich in die Geschichte vom Retter, der ihr hilft. Sie hatte das Geld, um mir zu helfen. Und den Sachverstand.
    Fatales Zusammentreffen von Bedürfnissen. Bedingtes Entstehen.
    Molche, echte Molche, brauchen sich mit so etwas nicht abzugeben. Molche haben keine Mütter, die ihnen keine Beachtung schenken, oder von denen sie glauben, dass sie ihnen keine Beachtunggeschenkt haben. Molche leben nicht in Geschichten, sie projizieren, planen, bereuen und rekonstruieren nicht. Sie erzählen ihr Leben nicht immer wieder neu. Sie schießen keine zweiten Pfeile ab. Molche gleiten in den Schlamm hinein und wieder hinaus und fangen mit ihrer Zunge Insekten. Wortlos, sorglos. L und ich mussten ausgefeilte Geschichten erfinden, um den Wahnsinn zu rechtfertigen, dass ein dreiundzwanzigjähriger Mann eine neununddreißigjährige Frau heiratete. Ich war ein brillanter junger Mann, meinem Alter weit voraus, der Geld und Sicherheit brauchte, um ein ehrgeiziges Verlagsprojekt zu verwirklichen, das einen Wendepunkt in der englischen Literatur darstellen würde. Das habe ich tatsächlich geglaubt. Sie hatte mein Genie erkannt, sie hatte Geld, sie wollte sich aus der Justiz zurückziehen, ihr Kind großziehen und Wordsmith unterstützen, meinen Verlag.
    Mum heulte. Sie konnte es nicht glauben. Sie konnte ihre Ungläubigkeit nicht verdrängen.
    Das erste Mal, das Mum mir Beachtung schenkte, war, als ich mich ihr entzog. Und alles falsch machte.
    Tja. Susie wurde in eine Geschichte besonderer Liebe, besonderer Leistung, besonderer Verleugnung hineingeboren. Eine große Geschichte. Wenn Susie und ich nicht etwas ganz Besonderes waren, gab es keine Rechtfertigung dafür, dass L ihre Karriere aufgegeben hatte, das Geld ihrer Familie in Wordsmith gesteckt hatte, sich von der Welt zurückgezogen hatte. Sie hatte in uns investiert, und wir waren in dieser Investition gefangen. Wir mussten ihr entsprechen. Einen hohen Gewinn einbringen.
    L war besessen vom Erfolg: von meinem und Susies, nicht ihrem eigenen. Wir durften sie nicht enttäuschen. Sonst fängt sie wieder an zu trinken. Wir müssen erfolgreich sein, damit sie sich nicht zu Tode trinkt.
    Alle anderen vernachlässigt. Alle anderen verschmäht. Wir ihr einziger Kontakt zur Außenwelt. Komplizen gegen die Welt. Drei Verschwörer. Sie die Bienenkönigin, wir der Drohn und die

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