Sex ist verboten (German Edition)
hier.
Allerdings hat dieser Typ echt eine Menge geschrieben. Ich finde meine gekritzelte Zeile gar nicht wieder. Irgendwas über Schmerzen. Sie muss viel weiter vorne sein. Oder in einem anderen Heft. Wenn ich die Seiten so durchblättere, scheint es egal zu sein, wo ich anfange. Es geht ab wie ein Schlagzeugsolo auf einem Kiffer-Festival. Manchmal stoße ich auf ein paar Worte, die auch von mir sein könnten. Ich meine, die tatsächlich von mir sein könnten, so als wären wir ein und dieselbe Person. Das habe ich manchmal bei Jonathan gedacht, dass wir ganz tief im Innern derselbe Mensch wären. Wir hatten uns angewöhnt, einer wie der andere zu sprechen und zu denken. Oder vielmehr, ich hatte mir angewöhnt, wie er zu sprechen. Jetzt frage ich mich, ob wir uns je begegnet sind.
Morgensitzung surreal. Seit wir mit vipassanā angefangen haben, körperlich so verwirrt wie im Kopf. Vertauschte Hände, links ist rechts, rechts ist links, der Mund löst sich vom Schädel, verschmilzt mit dem Magen, Körperteile verschwinden für lange Phasen, tauchen dann wieder auf wie diese exotischen Inseln, die die Entdecker ständig aus den Augen verloren und dann wiederfanden. Meine Knie sind hinten. Meine Schultern in den Oberschenkeln. Krämpfe Ziehen Stechen Brennen Lust Schmerz Glück Traurigkeit Hoffnungslosigkeit Seligkeit alles überlagert sich und kommt und geht durch Waden Knöchel Wirbelsäule alles.
Gewöhne mich gerade daran, als plötzlich L hereinstürmt. Sie lauert hoch oben in meinem Kopf wie ein Schatten an der Wand in einem Hitchcock-Film. Ich will einen Hund! brüllt sie. Sie muss unbedingt einen Hund haben. Sie muss mich durch einen Hund ersetzen. Einen Hund kann sie abrichten. Einem Hund kann sie trauen. Mir kann sie nicht trauen. Ich habe sie betrogen. Sie ist fertig mit den Männern. Sie will einen Hund! Ich schreie: Aber Linda, ich bin doch ein Hund! Siehst du das nicht? Ich bin immer dein kleines Hündchen gewesen.
Während ich mir Kippe Nummer zwei an Kippe Nummer eins anzünde, denke ich daran, wie Carl sich immer darüber beklagt hat, ich würde ihn wie einen Hund behandeln. Carl mach dies, Carl mach das. Mittlerweile habe ich meine Tage gekriegt. Ich werde zu den Haupttoiletten hinübergehen müssen, um mir Tampons zu besorgen.
Mum hat Dad wahnsinnig gemacht mit ihren Katzen. Fünf Stück.
Aber es ist eine große Erleichterung, zu lesen. Über die Scheiße von jemand anderem. Lesen lesen lesen. Ich habe nie gern gelesen.Die Ehefrau heißt also Linda. Gut, dass sie endlich einen Namen hat.
Vipassanā-Eitelkeit. Auf dem Weg zum Mittagessen, junger Typ, groß, blass, im Lotussitz auf der Bank vor dem Esszimmer, absichtlich voll im Blickfeld, die Hände mit den Handflächen nach oben auf den Knien, Daumen und Zeigefinger aneinandergelegt, Augen wie in Ekstase halb geschlossen. Jim Carrey in Ace Ventura. Wie oft mit Susie? Fast eine Entschädigung für das furchtbare Mittagessen. Was haben die bloß mit dem Nussbraten angestellt? In Terpentin eingelegt?
Jupp, Ines hat bei dem Nussbraten voll Mist gebaut. Vielleicht war ich doch unersetzlich. Leute, die mit ihrem Lotussitz angeben, gibt es in solchen Retreats wie Sand am Meer. Vor ein paar Monaten hat ein Mädchen ständig die Treppe zu den Schlafzimmern der Helferinnen versperrt. Angeblich meditierte sie. Ihre Knie berührten auf beiden Seiten fast die Wand.
Eigentlich würde ich gerne lernen, mich nicht immer allen anderen überlegen zu fühlen, obwohl mir das bestimmt nie gelingen wird. Jetzt denke ich schon wieder, wie überlegen ich bin, weil ich mich nicht überlegen fühlen will. Und wie unglaublich überlegen von mir, dieses Paradox erkannt zu haben. Und zuzugeben, dass ich damit in einer Sackgasse stecke. Und so weiter und so fort. Es scheint keinen Ausweg aus meiner Überlegenheit zu geben.
So ein Arschloch!
Aber das ist eine der Passagen, die von mir sein könnten.
Du liegst auf dem Sofa und ich berühre deinen Fuß. Du ziehst ihn weg. Du wendest dich ab. Genau so ist es im Bett. Du liegst mit dem Rücken zu mir und ich berühre deinen Fuß mit meinem Fuß. Wenigstens unsere Füße sollen zusammen sein. Du ziehst ihn zurück. Ich bin müde, sagst du. Lass mich in Ruhe. Das Gleiche mit deiner Hand auf dem Tisch. Du ziehst sie weg und beugst dich hinunter, um den Hund zu kraulen. Du wendest dich von mir ab und dem Hund zu. Ich berühre deine Schulter, während du kochst, und du schüttelst meine Hand ab. Du willst mich nicht. Warum soll
Weitere Kostenlose Bücher