Sex ist verboten (German Edition)
nicht Molche. Menschen machen sich fertig mit ihren Gedanken, mit ihrem Bedürfnis, Entscheidungen zu treffen. Molche befinden sich von Anfang an im Nirwana. Ohne etwas dafür tun zu müssen. Gibt es irgendetwas, weshalb ich leide, außer meinen Gedanken, meinen unmöglichen Entscheidungen? Nichts. Ich habe schreckliche Rückenschmerzen. Das ist kein wirkliches Leid. Ich habe gnadenlose Hämorriden. Ein Joke. Kein Joch. Meine Hämorriden sind alte Kumpel. Ich brauche bloß eine Lobotomie, schon bin ich quietschfidel. Wenn ich keine Lobotomie will, dann heißt das, ich will weder glücklich noch fidel sein. Ich möchte nicht ins Nirwana. Ich möchte leben und leiden, mit einer chaotischen, verqueren persönlichen Geschichte. Mein kleiner Eindringling mit den hübschen Zuckermelonen hat den Nagel auf den Kopf getroffen: »Sie lieben Ihren Schmerz zu sehr.«
Sie sah wirklich
Hübsche Zuckermelonen!
Wenigstens weiß ich jetzt wieder, was ich geschrieben habe. Es muss im vorigen Heft gewesen sein. In vier Tagen hat er eins ganz und das nächste halb vollgeschrieben.
Wer kommt schon darauf, als Molch wiedergeboren zu werden? Zoe hat gesagt, alle über vierzig haben Hämorriden. Sie war dreiunddreißig.
auf interessante Weise animalisch aus mit ihrem komischen, verkorksten kleinen Mund und den langen Zähnen. Kleine Hände, schmutzige Fingernägel. Hatte fast Ähnlichkeit mit T. Merkwürdig mümmelnd irgendwie.
Zu dumm, dass das Papier seines Tagebuchs nicht saugfähig ist. Sonst könnte ich die Seiten herausreißen, mich zwischen den Beinen damit abwischen und es wegspülen.
Mein Mund ist nicht verkorkst. Er ist spitz.
»Hübsche spitze Lippen, mein süßes kleines Nagetier.«
Vorläufig kann ich Klopapier benutzen. Klopapier gibt es im Dasgupta-Institut reichlich.
Nach dem Platz zu urteilen, auf dem sie sitzt, muss sie eine der Helferinnen sein. Ganz still und aufrecht, Stunde um Stunde. Ich wünschte, ich könnte das.
Wie viel sie wohl gelesen hat? Durchsuchen sie etwa unsere Zimmer? Bestimmt nicht eine Frau die der Männer.
Jedenfalls ist es das, was sie uns hier beibringen wollen. Aufzuhören, uns mit unseren Schmerzen zu identifizieren. Loszulassen, zu ent-dramatisieren. Als sie die Frau, die bei der ersten vipassanā-Sitzung geweint hat, baten, den Meditationssaal zu verlassen, habe ich mir Sorgen um sie gemacht, weil sie so sehr schluchzte,eine Art Zusammenbruch hatte, und dieser Harper sagt einfach, sie soll hinausgehen, wenn sie nicht aufhören kann zu weinen. In seinem knochentrockenen Beamtentonfall. Wie kann er so kaltherzig sein? denke ich. Dann habe ich den Sinn erkannt.
Sie lieben Ihren Schmerz zu sehr.
Hör auf zu weinen. Hör auf zu dramatisieren. Konzentrier dich auf den Atem, der in die Lungen hinein- und wieder hinausströmt. Eine Angelegenheit von allergrößter Wichtigkeit für dich.
Molche weinen nicht.
Verdammt, jetzt kapiere ich endlich, was er damit gemeint hat, dass der zweite Pfeil optional ist. Wie kann man nur so schwer von Begriff sein?
Während unserer gesamten Ehe hatte ich Angst. Das ist die Wahrheit. Wusstest du, wie furchteinflößend du bist, Linda? Deine Kälte, deine Unnachgiebigkeit, deine Wutanfälle. Hast du eine Ahnung? Oder liegt es nur an mir? Du warst mit einem rückgratlosen Schwächling verheiratet, einem Molch, und was du gebraucht hättest, war ein Mann.
Ich lebe wie ein Witwer, der vom zornigen Geist seiner Frau verfolgt wird.
Sehr witzig. Heute war eine Spinne auf dem Fußboden zwischen meinem Kissen und dem Mann links von mir. Wusste nicht, was ich tun sollte, wir haben ja geschworen, kein lebendiges Wesen zu töten. Konnte auch keinen Kontakt zu dem Mann aufnehmen, der wesentlich mehr Erfahrung im Meditieren zu haben scheint als ich, denn er rührt sich so gut wie gar nicht. Die Spinne wusste nicht, auf welche Matte sie lieber krabbeln wollte, und keiner von uns konnte die Augen schließen und sie einfach machenlassen, was sie wollte. Wieso nicht? Was konnte schon passieren? So ging es ewig, die Spinne kroch hin und her, hin und her. Muss wohl eine halbe Stunde damit vergeudet haben, ein Wesen zu beobachten, das vollkommen harmlos ist, das zweifellos darauf wartet, als Mensch wiedergeboren zu werden, damit es den ersten Schritt auf dem Dhamma-Pfad gehen kann. Schließlich sah der Typ hinter uns das Tier, ließ es auf seine Hand krabbeln und brachte es nach draußen. Fällt mir schwer zu glauben, dass die Spinne mehr gelitten hat als wir, oder dass sie
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