Sex ist verboten (German Edition)
verzweifelt zusammen in einem Raum. 150 Mal verzweifelte Stille in einem Raum, grimmige brodelnde wuchernde Stille.
300 steife Beine, steife Knöchel, schmerzende Knie.
Und die Geschichten. Man stelle sich die furchtbaren Geschichten vor, die in all diesen kranken Köpfen herumspuken. Schlimmer als meine Meistermörder-Liste. Löst sie auf in Säure, in stiller Säure, saurer Stille.
Was immer ihr damit macht, schreibt sie nicht auf! Veröffentlicht sie bloß nicht!
Oder nein, schreibt sie doch auf, damit ihr sie umso besser vernichten könnt. Gute Idee. Papier kann man zerreißen. Computerdateien löschen.
Anstelle eines Verlags, der Bücher veröffentlicht, einer, der Bücher vernichtet.
Marktlücke!
»Verehrter junger Mann, einen sehr interessanten Roman haben Sie da geschrieben, ausgesprochen ergreifend; Ihr Bericht über den Abstieg Ihres alternden Helden in Armut und Perversion ist bewegend, beunruhigend und zutiefst verstörend. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen einen Vertrag über die Vernichtung des Textes in allen bestehenden Ausgaben Manuskripten Dateien und sonstigen relevanten Medienanbieten möchten. Unser Angebot schließt selbstverständlich die weltweiten Rechte mit ein. Wir verpflichten uns, die Geschichte für mindestens zehn Jahre nach Vertragsabschluss weltweit vor der Veröffentlichung zu schützen. Wir sind stolz darauf, garantieren zu können, dass alle unsere Titel vollkommen geheim gehalten werden; unter keinen Umständen wird Ihr Name als Autor in irgendeiner Publikation erscheinen. Nein, mein lieber junger Mann, weder Sie noch irgendeinen anderen Menschen wird diese bewegende Geschichte je wieder aufwühlen.«
Der Autor hat von seinem moralischen Recht Gebrauch gemacht.
Was machen Geschichten denn anderes, als den Schmerz zu glorifizieren? Das trifft auf alle Romane zu, die ich verlegt habe, auf all die hochtrabenden Geschichten, von denen ich hoffte, sie würden die englische Literatur verändern. Sie glorifizieren das Leid. Nur ein Leben, das Leid beinhaltet, ist glamourös. Das liegt auf der Hand. Angefangen bei Jesus. Körperliches Leid Liebesleid geistiges Leid. Ohne Leid kein Glanz. Wir sind verliebt in dukkha. So sieht es aus. Bis über beide Ohren in den Schmerz verliebt. Unter dem Vorwand, das Glück zu suchen, ziehen wir aus und suchen das Leid, wie die Bettler dem Gold hinterherjagen. Unser Leben muss zu einer rührseligen Geschichte werden. Kein Triumph ohne Unglück. Lang anhaltendes Unglück. Je länger, desto besser. Die saure Asche meiner Mutter. Und das Verlockende daran ist das Unglück, nicht der Triumph in letzter Sekunde. Das Verlockende ist das Gefühl, das dem Unglück anhaftet. Oh, armes Ding. Oh, armer David Copperfield. Oh, arme kleine Nell. Oh, wie groß ist mein Herz, das diese edlen Gefühle für diese armen Menschen hat.
Ich nehme einen kleinen Tsunami als Beilage zum Abendessen.
Tsunamisalami.
Dasgupta lehrt uns emotionale Ruhe. Das Mädchen weint in der Stille der Meditationshalle. Sie hat eine Geschichte zu erzählen, einen Roman. Nur allzu bald wird sie mit ihrem Manuskript zu den Verlegern rennen. Wie viele elende Memoiren mich wohl auf meinem Schreibtisch erwarten, wenn ich wieder ins Büro komme? Dann kann ihr Schmerz veröffentlicht werden, und alle können ihn in Händen halten, ihn auskosten, ihn hegen und pflegen, eine Seite umblättern und seufzen: Oh, was für intensive Gefühle, oh, was für ein höllisches Dilemma, oh, wie edel ist doch die menschliche Seele! Ach, was für ein faszinierendes Leben!
Dasgupta sagt: Meine Freunde, das Letzte, was wir brauchen, ist Ihre unglückliche Geschichte. Das Letzte, was wir brauchen, ist ein Bericht über Ihren Schmerz.
Wir brauchen Stille.
Wenn Sie nicht aufhören können zu weinen, gehen Sie bitte hinaus.
Harper hatte recht, als er mich nicht nach meinen Problemen fragte, sondern mich mit einer simplen Aufforderung entließ. Schieß den zweiten Pfeil nicht ab, Kumpel.
Geh hinaus. Leg den Stift weg.
Der zweite Pfeil ist der Stift.
Natürlich!
Zweiter-Pfeil-Verlag. Genial!
Ein rentables Unglück.
Die niedliche Kleine hat vollkommen recht gehabt. Oh, ich könnte sie küssen. Sie lieben Ihren Schmerz zu sehr. Wie kann sie so jung und gleichzeitig so weise sein? Sie lieben Ihren Stift zu sehr. Ihren Pfeilstift. Oh, ich könnte sie auf ihren weisen kleinen Hasenmund küssen.
Bücher zu verlegen sollte verboten werden. Bei Strafe. Es ist keine rechtschaffene Art,
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