Sex ist verboten (German Edition)
Frau, die Elisabeth heißt. Jemandem, den Sie kannten, ehe Sie hierhergekommen sind.«
Ich stellte fest, dass ich von einem Fuß auf den anderen trat. An meinem Oberschenkel lief ein Tropfen hinunter. Ich musste dringend auf die Toilette gehen.
»Das ist doch albern. Es ist albern, so zu tun, als wäre ich nicht die, die ich bin.«
»Ich sagte ja, es ist ein Experiment. Es kann wohl kaum schaden, oder?« Sie neigte das Gesicht ihrer Tasse zu. Ihre Lippen nippten am Tee und lächelten.
Ich klopfte mit der Schere auf die Arbeitsfläche. Die Unterhaltung kam unglaublich langsam voran. Eine Plauderei in Zeitlupe. Der Tropfen lief langsam weiter und stockte dann. Sie betrachtete mich über den Rand ihrer Teetasse. Ihr Körper keuchte schwerfällig, ihre Brüste, ihr Bauch. In Erwartung eines Stichs mit meiner Schere womöglich.
Dann sagte ich: »Ich würde es lieber Mi Nu erzählen.«
»Aha.«
Sie nickte, als wären wir ein Stück weitergekommen. Sie wirkte nicht gekränkt.
»Wenn ich es jemandem erzählen muss.«
»Wie gesagt, Elisabeth, Sie brauchen es überhaupt nicht zu erzählen. Sie selber haben von dem Bedürfnis gesprochen, es zu erzählen.«
»Ich würde es lieber Mi Nu erzählen.«
»Dann tun Sie das. Sie hat immer nach dem Mittagessen Sprechstunde. Machen Sie einen Termin mit ihr aus.«
Ich konnte mir gar nicht erklären, warum ich so angespannt war, warum ich die Schere so fest umklammerte.
»Ich kann nicht«, schrie ich. »Ich versuche immer wieder, es jemandem zu erzählen, aber es geht nicht. Ich habe Angst.«
Sie seufzte tief.
»Was haben Sie zu verlieren, Elisabeth? Was steht auf dem Spiel?«
Ich betete, dass der Morgengong uns unterbrechen würde. Es musste fast vier Uhr sein. Ich musste wirklich dringend auf die Toilette.
»Nun?«
»Sie wird mir auch nicht helfen können, nicht wahr? Es wird reine Zeitverschwendung sein. Sie wird mich verachten.«
Ich legte die Schere weg, stützte mich mit den Händen auf die Arbeitsfläche, schwang mich hoch, setzte mich mit baumelnden Beinen hin und ließ die Hacken gegen den Schrank unter mir stoßen. Bum bum bum. Ich könnte jetzt eines von den Messern nehmen, dachte ich. Sie hingen an der Wand. Ich könnte mir eins davon schnappen. Dann würden wir beide bluten.
Dann sagte Mrs. Harper etwas Wunderbares. »Elisabeth, Mi Nu wird Ihnen helfen, indem sie einfach nur da ist und zuhört. Mi Nu hilft uns allen durch ihre bloße Anwesenheit.«
Sie schwieg einen Moment. »Manchmal denke ich, Mi Nu anzuschauen ist so, als würde man
vipassanā
selbst anschauen. Sie zu betrachten reicht als Anleitung vollkommen aus. Sie haben vollkommen recht, wenn Sie mit Mi Nu sprechen wollen. Und keine Angst, sie wird Sie auf gar keinen Fall verachten.«
Ich war erstaunt, so als hätte ich jemanden verraten, und es machte der Person überhaupt nichts aus.
»Ist Mi Nu nicht toll?« Ich sprang von der Anrichte und war richtig fröhlich. »Aber wissen Sie, manchmal denke ich, alles, was ich brauche, ist eine ordentliche Umarmung.«
Ich schüttelte mich wie ein Hund und schaute sie direkt an, grinsend. Wir standen ungefähr einen Meter auseinander. Der Tropfen bewegte sich wieder.
»Würden Sie mich in den Arm nehmen, Mrs. Harper?«
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und stellte ihre Tasse ab.
»Das Institut ist nicht der richtige Ort für Umarmungen, Elisabeth.«
Ich kam mir schlecht vor.
»Ich weiß, dass es gegen die Regeln verstößt.«
»Ich fürchte, so ist es, ja.«
»Heißt das, Sie würden mich umarmen, wenn die Regeln anders wären?«
Sie stand unbeirrt da, schwerfällig, blass und aufgedunsen, in ihrem weiten Nachthemd.
»Selbst Ihren Mann umarmen Sie nicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wirklich nicht?«
»Wir haben einen Schwur geleistet, Elisabeth. Er gilt, solange wir im Dasgupta-Institut sind.«
»Warum sind Sie dann verheiratet?«
Jetzt lächelte sie nicht mehr. Nach einem weiteren Seufzer sagte sie langsam: »In einer Ehe geht es um mehr als nur um Körperkontakt.«
»Um was denn?«
Sie gab keine Antwort.
»Haben Sie Kinder?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. Sie wollte nicht über sich selber reden.
»Was haben Sie gemacht, bevor Sie ins Dasgupta-Institut kamen?«
Sie überlegte einen Moment, so als könne sie sich kaum erinnern. »Ich war Versicherungskauffrau. In Hartford, Connecticut.«
»Umarmen Sie mich.«
Ich trat auf sie zu. Der Tropfen war inzwischen bis zum Knie gelaufen.
»Bitte, Mrs. Harper. Es ist so lange
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