Sex ist verboten (German Edition)
ändern. Weder Blut noch Leidenschaft. Mit Carl ging gar nichts an Menstruationstagen. Wäre doch nur die Rote Armee in der Woche in Frankreich einmarschiert. Kein Sex, aber er war immer sehr liebevoll und besorgt. »Wie fühlst du dich, Beth? Wirst du singen können, Beth?« Carl mochte es, wenn Mädchen schwach waren, er liebte mich, wenn ich zerbrechlich wirkte. Eine zerbrechliche Beth mit Welpen und Kaninchenbabys, um die er sich kümmern konnte. Du lieber Himmel. Ich ging aufs Klo, wo es immer noch nach Qualm roch. Hätte ich doch noch eine Schachtel. Könnte man doch nur ewig kettenrauchen. Kettenrauchen, kettentrinken, kettenficken. Warum nicht? Wenn
dukkha
unbedingt sein muss, kann man auch aufs Ganze gehen.
Ich ging zurück in die Küche und suchte das Rezeptbuch. Die Zeit verging. Der Monat wird im Handumdrehen vorbei sein, sagte Jonathan. Er lächelte sogar. Ich entdeckte das Buch auf dem kleinen Kühlschrank, machte mir dann aber stattdessen eine Tasse Chai. Ich spülte einen Topf aus, füllte ihn mit Wasser aus dem Boiler, rührte Ingwer, Nelken und Zimt ein. Bevor ich ins Dasgupta-Institut kam, hätte ich nicht im Traum daran gedacht, so ein Gebräu zu trinken. Allerdings waren keine Fenchelsamen da. Irgendjemand musste sie falsch eingeräumt haben. Wir waren in einem Pub in Edinburgh, als eine der Bands mich einlud, auf die Bühne zu kommen. Jemand hatte mich erkannt. Wir spielten eine aufgepeppte Coverversion von »Girls Just Wanna Have Fun«. DieMenge stampfte mit den Füßen. Ich schluchzte beim Singen. Ich lachte. Meine Stimme überschlug sich. Ich umschloss das Mikro mit der Hand: »Oh-o-oh-o-oh. When the working day is done, girls just wanna have fun.« Das stimmte nicht. Ich wollte Jonathan. »Jetzt einfach nur in deine Augen zu schauen …«, kritzelte er auf seinen Bierdeckel. Er war verzückt. Die Leute konnten es nicht fassen, dass ich mit so einem alten Mann zusammen war. Am nächsten Abend, als wir wieder in London waren, ging er schon vor elf ins Bett, um früh aufstehen zu können.
»Ich habe noch ein paar andere Eisen im Feuer«, sagte ich zu ihm.
Vikrams
vipassanā
-Kochbuch. Essen für die Meditation. Cool Kochen für cooles Karma. Die Helfer machen sich immer über den Ordner mit den Rezepten lustig. Wir stellten uns ein Cover-Bild vor, auf dem Vikram im Schneidersitz in der Kipppfanne sitzt.
Ich schlug Tag neun auf. Tofu-Brokkoli-Pfanne, gedünsteter Grünkohl, Kartoffelbrei, gemischter Salat, Sojamayonnaise, zwei Dressings. Ich ging in den Kühlraum, um nachzusehen, ob schon irgendetwas vorbereitet war. Die Kartoffeln. Dort standen zwei Plastikbehälter mit geschälten Kartoffeln, die in kaltem Wasser lagen. Sonst nichts. Ich ging zum Regal mit den frischen Lebensmitteln, fand eine Kiste Brokkoli, schleppte sie hinaus und stellte sie auf die Arbeitsfläche.
Unglaublich, wie fest Brokkoli verpackt wird, wie gut er in der Kiste aussieht. Eine Schicht mit den Köpfen nach unten und den Strünken nach oben, und eine mit den Köpfen oben und den Strünken unten. Schaut man in die Kiste, sieht man mehrere Reihen von Köpfen, und aus der Mitte jeder Vierergruppe sticht ein dicker Strunk aus der Reihe darunter hervor. Alles passt so genau zusammen, als wäre es ein Puzzle. Es ist unmöglich, einStück herauszunehmen, ohne alle anderen mit hochzuziehen. Sie sind fest eingeschlossen. Um sie zu bewegen, muss man einen Kopf auseinanderbrechen. Mindestens einen.
Ich fragte mich, wie das gemacht wurde, ob es eine Brokkoli-Packmaschine gab oder nur Leute, die sie einzeln an ihren Platz steckten. Die Köpfe sahen edel aus, matt und dunkelgrün, die Strünke waren blass und gummiartig. Es war ein lückenloses Muster, das man durchbrechen musste, um sie zu kochen. Fast zu schade.
Ich zögerte einen Augenblick, ehe ich einen herauszog. Wie konnten sie so perfekt ineinanderpassen, obwohl sie doch, da es sich um etwas Natürliches handelte, alle verschieden sein mussten? Zumindest ein bisschen. Sie waren nicht dafür gemacht, zusammenzupassen. Nicht wie Fabrikware. Ich war seltsam fasziniert vom Anblick der dunklen Brokkoliköpfe und der hellen Strünke. Mein Atem ging sanfter, und er wurde mir plötzlich bewusst. Ich hatte das Gefühl, als sähe ich etwas, das eigentlich gar nicht der Brokkoli war, obwohl, wie Dasgupta sagen würde, wenn man Brokkoli anschaut, dann schaut man Brokkoli an, nichts weiter. Ich schüttelte den Kopf.
»Brechen Sie den Brokkoli in kleine Röschen«, stand im
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