Sex ist verboten (German Edition)
Kochbuch.
Wieso machte es mich nervös, dass ich eins auseinanderbrechen und aus dem Muster herausziehen musste, wenn ich sie ohnehin nur aus dem Kühlraum geholt hatte, um sie in den Topf zu werfen? Ich wusste nicht, ob ich sie segnete oder bewunderte oder untersuchte. Oder ob sie womöglich nur in meinem Kopf existierten. Wozu machte man sich die Mühe, Gefühle in diese oder jene Richtung zu verbiegen, um diesem oder jenem Wort zu entsprechen? Wer scherte sich schon darum, was ich gerade machte? Mum hat immer tonnenweise Brokkoli für uns gekocht,weil er so gut gegen Krebs war, und kaum war Dad fünfzig geworden, kriegte er genau das.
Ich griff nach einem Strunk und zog mit einem Ruck daran.
»Elisabeth? Elisabeth, was um alles in der Welt machen Sie hier?«
Ich schnitt die Röschen mit einer Schere direkt in einen großen Durchschlag aus Metall, den ich unter den laufenden Wasserhahn gestellt hatte. Das Geräusch des Wassers musste ihre Schritte übertönt haben.
»Ich konnte nicht schlafen, Mrs. Harper.«
Und was machte
sie
hier?
Ich arbeitete weiter, während sie näher heranglitt. Sie trug ein weites grünes Nachthemd. Sie erweckte wie immer den seltsamen Eindruck, als bewege sie sich auf Rollen. Ihre Beine waren nicht zu sehen. In der großen leeren Küche schnitt ich im Neonlicht den Brokkoli in die Schüssel. Wir erkannten sofort, dass zwischen uns eine Spannung herrschte. Es war die gleiche Spannung, die zwischen mir und Mum bestand. Liebe und Ungehaltenheit. Vielleicht konnte ich nicht mit Mrs. Harper reden, weil sie so mütterlich war. Mit Mi Nu wäre es nicht so, dachte ich. Oder mit GH. Mit GH könnte ich auf jeden Fall reden, wenn ich mich für diesen Weg entscheiden würde. Er ist genauso abgefuckt wie ich.
Ich war sauer auf Mrs. Harper, weil ich nicht mit ihr reden konnte. Ich wollte brüllen. Ich machte weiter mit meiner Arbeit. Der Brokkoli leistete minimalen Widerstand, dann schnappte die Schere zu. Die kleinen Röschen fielen in den Durchschlag, wo der Wasserstrahl schäumend über sie hinwegfloss und die hellen Stiele und dunklen Köpfe hin und her bewegte. Ich sagte: »Ich finde es schön, Gemüse anzufassen und zu waschen. Es beruhigt mich.«
Sie griff hinüber und drehte den Wasserhahn zu. Das Wasser floss gurgelnd weg. Der Brokkoli tropfte ab und trocknete. Stille trat ein. Ich hörte sie jetzt keuchen. Sie musste erkältet sein. Schließlich sagte sie: »Tut mir leid, dass Sie nicht schlafen können, Elisabeth.« Ihre Stimme ist freundlich und schwer vor Bedauern. Ich hasse das. Ich hasse Bedauern. Mums Bedauern. Carls Bedauern. Mein Bedauern.
Jonathan hat nie etwas bedauert.
Ich nahm einen neuen Kopf Brokkoli in die Hand und schnitt heftiger. Es ist der gummiartige Widerstand und dann das unvermittelte Schnipsen, das einen verrückt macht. Wie Babyfinger.
»Manchmal, wenn wir intensiver meditieren, so wie Sie es in den letzten drei Tagen getan haben, Elisabeth, dann stellen wir fest, dass es eher schwerer wird als leichter. Wir haben eher mehr Schmerzen als weniger. Und vielleicht mehr Gedanken. Das Schlafen wird schwieriger.«
Ich wusste, wenn sie aufhört zu reden, dann wird sie mich zwangsläufig forschend ansehen. Sie wollte, dass ich ihre Worte bestätige.
Ich schnitt weiter Brokkoli.
»Der Grund dafür ist, dass die Stille, unser
sīla, samādhi, paññā,
den tiefen
sankharas
der Vergangenheit erlaubt hat, an die Oberfläche zu kommen, den Dingen, die uns echte Sorgen und Schmerzen bereiten. Das ist Teil des Reinigungsprozesses, über den wir gesprochen haben. Sie haben also allen Grund, sich ermutigt zu fühlen statt enttäuscht.«
Ich hatte nicht gesagt, dass ich enttäuscht war.
Ich nahm einen neuen Brokkolistrunk in die Hand und hielt dann inne.
Irgendetwas spitzte sich zu, aber was? Und wann genau?Irgendetwas änderte sich gerade, es war kurz davor. Oh, aber ich war ständig kurz davor, mich zu ändern, und dann passierte es doch nicht. Ich würde nicht vor Mrs. Harper anfangen zu weinen.
»Es ist wegen meiner Regel«, erzählte ich ihr. »Ich blute wie ein Schwein. Ich muss mir gleich einen Tampon holen.«
Das stimmte.
Sie war nicht überzeugt. Sie betrachtete mich abwartend. Es ging mir langsam auf die Nerven. Schließlich fragte ich: »Warum schenken Sie mir so viel Aufmerksamkeit?«
Sie stand da und schaute mich an, ganz fest und ganz sanft.
»Mit den anderen reden Sie nicht so. Mit Kristin. Oder Ines.«
Sie schwieg.
»Liegt es daran, dass ich ein
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