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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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– zur großen Enttäuschung der Reformer, die sich einen Neubeginn in einem säkularen Staat erhofften. Obwohl Ägypten anders als viele seiner arabischen Nachbarn vorehelichen Geschlechtsverkehr nicht ausdrücklich gesetzlich verbietet, gibt es, zumindest auf dem Papier, andere Rechtsvorschriften, welche gegen diejenigen angewendet werden können, die vor der Heirat den Schritt wagen. 4 Vielleicht schreckte die Regierung also davor zurück, Fragen über religiös unzulässige und rechtlich fragwürdige Aktivitäten zu stellen.
    Eine andere und, offen gesagt, wahrscheinlichere Erklärung lautet, dass der Staat kein großes Interesse daran hatte zu erfahren, was seine Bürger im Bett treiben – jedenfalls nicht als Hüter der Moral. Die Mächtigen waren vor allem am eigenen Machterhalt interessiert, und dies bedeutete, dass sie der Opposition, nämlich den Muslimbrüdern, keine Munition liefern wollten. Das Letzte, was die Regierung brauchte, war eine landesweite Umfrage, deren Ergebnisse darauf hindeuteten (oder gar feststellten), dass junge Menschen, und insbesondere unverheiratete Frauen – o Schreck, o Graus – voreheliche Beziehungen hatten. Während es möglich war, das Sexualleben junger Menschen an den sozialen Rändern – Straßenkinder zum Beispiel – zu erforschen, waren die durchschnittlichen ägyptischen Jugendlichen aus Sicht der Regierung tabu. 5 Jetzt, wo die Muslimbrüder und ihre konservativeren Verwandten eine wiederauflebende politische Kraft in Ägypten sind, wäre jede Änderung dieser Politik eine willkommene Überraschung.
    Nicht alle Länder in der arabischen Region zieren sich so, wenn es darum geht, die Sexualität der Jugend zu erforschen. Dort, wo Forscher Erhebungen durchführen (und die Ergebnisse veröffentlichen) konnten – unter anderem in Tunesien, Marokko, Algerien, Libanon und Jordanien –, zeichnet sich ein Muster ab: Je nach Bevölkerung sagen ein Drittel oder mehr, oft sogar viel mehr, der jungen Männer, sie seien vor der Ehe sexuell aktiv (im Allgemeinen beginnen sie im Alter zwischen 15 und 20 Jahren und sammeln Erfahrungen mit mehreren Partnern), während über 8o Prozent der jungen Frauen sagen, sie hätten keinen vorehelichen Geschlechtsverkehr. 6 Dies wirft selbstverständlich die Frage auf, mit wem genau all diese jungen Männer Sex haben. Tatsächlich ist es so, dass Erhebungen die vorehelichen sexuellen Aktivitäten von Frauen zu niedrig schätzen, weil Frauen ein solches Verhalten nur ungern zugeben. Jene jungen Leute, die laut Befragungen »sexuelle Kontakte« unterschiedlichster Art haben, treffen kaum Vorsichtsmaßnahmen, so dass sie sich einem hohen Risiko aussetzen, schwanger zu werden und/oder sich eine sexuell übertragbare Krankheit zuzuziehen. Was den Rest der arabischen Region anlangt – allen voran die Länder am Golf –, steht die Forschung erst ganz am Anfang, und es ist noch immer schwer, an detaillierte Fakten und gesicherte Zahlen zu kommen. Angesichts dieser Datenlücke bat ich eine der berühmtesten Feministinnen der Region um Rat, wie ich mir Informationen über das Sexualleben arabischer Jugendlicher verschaffen könne. »Von Umfragen halte ich in der arabischen Welt gar nichts, weil die Leute lügen«, sagte sie mir. »Es ist ganz einfach. Durchkämmen Sie wichtige Blogs und andere Inhalte im Internet, dann haben Sie viel aussagekräftigere Ergebnisse.«

Sich abnabeln
     
    Der Schlüssel zur Verwirklichung dieser Freiheit liegt darin, sich innerhalb der Familie Freiräume der Selbstentfaltung zu schaffen. Junge Leute in Ägypten und der gesamten arabischen Region haben zweifellos sehr enge Bindungen an ihre Familien, auch wenn die ehemaligen Groß- immer mehr zu Kernfamilien schrumpfen und sich die Mitglieder über Städte, Länder und Kontinente verstreuen, wie es bei meiner Familie der Fall ist. Diese Nabelschnur ist größtenteils finanzieller Natur. In Ägypten zum Beispiel lebt die große Mehrheit der unverheirateten Jugendlichen (und etwa 40 Prozent der verheirateten Paare) unter dreißig Jahren bei ihren Familien; wenn man bedenkt, dass sich die Arbeitslosigkeit im zweistelligen Bereich bewegt, bedeutet dies, dass sie auch ökonomisch weitgehend von ihnen abhängig sind. 64
    »Alles im Rahmen der Familie« hat praktische Folgen für das eigene Liebesleben: In den meisten Haushalten ist es nahezu unvorstellbar, einen Partner mit nach Hause zu bringen, zumal nur eine kleine Minderheit der Jugendlichen in Ägypten ein eigenes

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