Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
Vom Netzwerk:
3
    Ungeachtet all dessen, was Azza und ihre Geschlechtsgenossinnen erreicht haben, ist die ägyptische Gesellschaft noch immer stark patriarchalisch geprägt, und diese Grundeinstellung wurde seit den 1970er Jahren durch den Aufstieg des islamischen Konservatismus wieder verstärkt, der sich verschworen hat, Frauen auf ihre traditionelle Rolle festzuschreiben, die nach Ansicht von vielen religiös sanktioniert ist. »[Mein Mann] mag es nicht, dass ich mit Ausländern arbeite, aber mein Geld mag er«, sagte Azza. »Er mag es nicht, dass ich mehr verdiene als er, dass ich die meisten Entscheidungen in Bezug auf Geld oder die Kinder treffe.« Er ist nicht der Einzige: Bei einer landesweiten Umfrage unter erwachsenen Ägyptern befürworteten zwar 60 Prozent, dass Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen, zugleich aber sind über 75 Prozent der Befragten – darunter die Mehrzahl der Frauen – der Ansicht, dass bei einem Mangel an Arbeitsplätzen Männer die Stellen bekommen sollten. Fast die Hälfte der Befragten stimmte der Aussage zu, dass eine Ehe befriedigender ist, wenn sowohl der Mann als auch die Frau berufstätig sind und sich gemeinsam um die Kinder kümmern; doch in der Praxis bedeutet das, dass am Ende arbeitende Frauen wie Azza die Doppelbelastung von Familie und Beruf schultern müssen. 4
    Von jeher haben ägyptische Frauen bei innerfamiliären Entscheidungen ein gewichtiges Wort mitzureden; meine Großmutter zum Beispiel war eine Kraft, mit der an der häuslichen Front zu rechnen war (auch wenn sie, wie viele Frauen heute, dafür sorgte, dass es so aussah, als hätte mein Großvater das letzte Wort gehabt). 5 Wie immer das Machtgleichgewicht hinter verschlossenen Türen aussehen mag – wie wir im vorherigen Kapitel gesehen haben, besteht vielerorts eine ausgeprägte Abneigung dagegen, dass Frauen jenseits von Heim und Herd Stärke demonstrieren; mehr als die Hälfte der Befragten in einer weiteren landesweiten Umfrage aus jüngster Zeit sprachen sich dagegen aus, dass Frauen als Richter oder Bürgermeister tätig sind, ganz zu schweigen vom Amt des Staatspräsidenten. 6 Während Azzas Erwerbstätigkeit also eine ökonomische Notwendigkeit ist, stellt ihr beruflicher Erfolg eine Belastung für ihre Ehe dar – im Bett und außerhalb desselben.
    Unterdessen hat Samar, Azzas Schwägerin, ihre eigenen Schwierigkeiten. Ihr Ehemann, ein Kleinunternehmer, war gerade von einer Reise nach Italien zurückgekehrt. Als Azza ein Kind war, reisten Ägypter nur selten ins Ausland; heute hat sich das geändert. Azzas Bruder war voll des Lobes für Italien, insbesondere für die schlanken, eleganten Italienerinnen, mit denen er seine Frau, in deren Anwesenheit, recht unvorteilhaft verglich. Seither hat Samar, Hausfrau und Mutter, versucht, sich aufzumöbeln, und ein paar Pfunde abgespeckt, unter beträchtlichem Kostenaufwand; Kairo ist voller Schlankheitskliniken, Fitnessstudios und Zentren für plastische Chirurgie, in denen Körper in Form geschnitten, gezogen und gesaugt und gegenwärtig auch immer mehr nach den scharfen Kurven libanesischer Sexbomben wie Haifa Wehbe modelliert werden, Popsängerin und panarabisches Pin-up-Girl. Aber Samar kommt gegen ihre naturgegebene Fülle kaum an. Und als wäre das nicht genug, klagt ihr Gatte jetzt auch noch, sie wäre langweilig im Bett. Samar weiß nicht, was genau er damit meint; soweit sie weiß, gab es immer nur eine Stellung – flach auf dem Rücken, empfangsbereit. Sie vermutet – hofft vielmehr! –, dass er seine Maßstäbe von Porno-DVDs und aus dem Internet bezieht und nicht aus Echtzeit-Erfahrungen im wirklichen Leben.

3  
SEX UND DER ARABISCHE SINGLE
     
Die Ehre eines Mädchens ist wie ein Streichholz; sie leuchtet nur ein Mal.
Ägyptisches Sprichwort
     
    »Sein oder nicht sein?«
    Ich stand inmitten einer milyuniyya – einem jener Massenproteste auf dem Tahrir-Platz, der nach dem Aufstand zu einem festen Bestandteil des Lebens in der Innenstadt geworden war. Es war ein dramatischer Unterschied zu dem Kairo, wie ich es kannte, wie es noch ein Jahr zuvor gewesen war. Ägypten ist ein Land für alte Männer, die auf so gut wie allen Gebieten – von familiären bis zu Staatsangelegenheiten – das Heft in der Hand halten. Aber auf dem Tahrir-Platz gaben die jungen Leute den Ton an: selbsternannte Wachleute an den Barrikaden, die Ausweise kontrollierten und uns nach Waffen abtasteten; Medizinstudenten, die Mundschutz gegen die Tränengasschwaden verteilten; junge

Weitere Kostenlose Bücher