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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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bis fünf Schulungssitzungen; sie wollen lernen: ›Wenn unsere Kinder nach Hause kommen und uns eine Frage stellen, wollen wir nicht wie Idioten dastehen.‹«
    Aber nicht nur Eltern werden informiert, auch Lehrkräfte werden geschult, damit sie eigene Lehrpläne entwickeln können und weniger Scheu haben, das Thema zu behandeln, was wiederum den Schülern ihre Befangenheit nimmt. Sexuelle Fragen sind auch nicht auf den Biologieunterricht beschränkt; Tamish erinnert sich, dass ein Lehrer für Literatur in einer Schule in Ostjerusalem, der an der Fortbildung teilnahm, eine Stunde über Ghasel – klassische arabische Liebeslyrik – dazu nutzte, um auf das Phänomen der ‘ urfi -Ehe zwischen Studentinnen und Süßholz raspelnden Taxifahrern, die scharf auf Sex sind, einzugehen. »Wichtig ist nicht das, was im Klassenzimmer passiert«, sagt Tamish. »Wichtig ist die Einstellung des Lehrers, wenn er oder sie in den Unterricht kommt … Nach meinen eigenen Erfahrungen kommt es nicht auf das Lied, sondern auf den Sänger an.«
    Vor zehn Jahren hatte Muntada Schwierigkeiten, arabische Schulen in Israel dazu zu bewegen, überhaupt Sexualkunde anzubieten; inzwischen gibt es eine Warteliste mit Schulen, die ihre Unterstützung wollen. Tamish hat erstaunlich viel erreicht. Ihre erste Stelle als Kinderschwester in einer Dorfschule in Galiläa, in Nordisrael, war ein Sprung ins kalte Wasser dessen, was ihre Berufung werden sollte. »Da war ein zwölfjähriges Mädchen, und man stellte fest, dass sie im achten Monat schwanger war. Die Ermittlungen ergaben, dass sechs Jungen von derselben Schule sie vergewaltigt hatten. Sie hatten ihr eingeredet, dass es nur ein Spiel war und dass sie niemandem etwas davon erzählen sollte. Das war im Jahr 1990, und das ganze Dorf war zutiefst erschüttert«, erinnerte sie sich. »Ich kam ein oder zwei Tage, nachdem diese Geschichte herauskam, an die Schule. Der Rektor erlaubte keinem der Lehrer, diesen Vorfall im Unterricht zu thematisieren. Ich widersprach, und er sagte, wir sind eine konservative Gesellschaft. Und ich sagte: ›Eine konservative Gesellschaft mit schwangeren Mädchen und Vergewaltigern?‹«
    Tamish brachte höhere Schulbeamte dazu, sich mit Eltern zu treffen, und aus diesem traumatischen Anfang ging ihre Strategie hervor, auch heikle sexuelle Themen offen durchzusprechen. Für Araber in Israel ist das Leben nicht leicht, aber Tamish gibt unumwunden zu, dass Muntada ohne den institutionellen Rahmen in Israel, der sexuelle Rechte gewährleistet und auch Sexualerziehung vorschreibt, nicht hätte anfangen können. »Ich mache keinen Hehl daraus. Ich habe das Westjordanland verlassen, weil es nicht institutionalisiert war und es damals andere Prioritäten gab; andererseits gab es viel zu tun. Als ich im Westjordanland Vertrauenslehrer ausbildete und die Zahl der gemeldeten Fälle von sexuellem Missbrauch unter Schülern zunahm, wurde das Programm eingestellt. Sie sagten: ›Sie [Tamish] öffnet Türen, die wir nicht schließen können‹, und haben das ganze Projekt beendet. Wenn man in Israel Vertrauenslehrer ist und Kenntnis von einem Fall sexuellen Missbrauchs erlangt und diesen nicht meldet, kommt man ins Gefängnis. Ich nutze dieses System, so gut es geht.«
    Für viele derjenigen, die das Muntada-Programm durchlaufen, ist es eine lebensverändernde Erfahrung. Eltern schildern ihre Freude darüber, dass sie infolge der neu entdeckten Leichtigkeit in persönlichen Dingen ihren Kindern nähergekommen sind, und Teilnehmer berichten auch, wie sich das Familienleben dadurch verändert, dass sich Ehemänner und -frauen so wohl miteinander fühlten, dass sie sich vor den Kindern in die Arme schlossen. Einfache Informationen können schon an sich viel bewirken: Diejenigen, die in einem Umfeld aufwachsen, in dem Sexualität totgeschwiegen wird, erleben eine verantwortungsvolle sexuelle Aufklärung als eine große Befreiung. Und das gilt nicht nur für Frauen; auch wenn Männer freier über Sex reden können, tun sie dies in gemischter Gesellschaft eher selten, so dass sie kaum etwas über weibliche Sexualität wissen. Muntadas Schulungen, bei denen Männer und Frauen im selben Raum zusammenkommen, sind laut männlichen Teilnehmern eine Offenbarung.
    Auch die Sprache macht einen Unterschied. Tamish besteht darauf, dass bei Muntada-Veranstaltungen nur Arabisch gesprochen wird. Einige israelische Araber fühlen sich im Hebräischen oder Englischen viel wohler, wenn es darum geht, über

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