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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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Projekte zur Schaffung eines Sparfonds auf Gemeindeebene, auf den Frauen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zugreifen können, sowie Berufsausbildungsangebote und andere Einkommensalternativen – auch wenn man sich kaum vorstellen kann, dass Handarbeiten mit Stoffen genauso lukrativ sind wie Handarbeiten an Männern. Die Aktivisten gegen Sommerehen erhoffen sich in der Ungewissheit der neuen Ordnung immerhin, dass die wenigen kleinen Fortschritte, die sie in den letzten Jahren machten, nicht wieder verlorengehen.
    Der Aufstand hatte durchaus einen unmittelbaren Einfluss auf das Sommerehen-Gewerbe, hauptsächlich weil der Strom der Besucher vom Golf aufgrund der zahllosen Meldungen über die auf den Straßen Kairos herrschende Gesetzlosigkeit zu einem spärlichen Rinnsal verkümmerte; im Sommer nach dem Aufstand hatte Amir kaum ein Dutzend Kunden, weniger als ein Drittel seiner üblichen Klientel. Er war dennoch zuversichtlich, dass die jüngsten Ereignisse sich letztlich als eine Art Segen erweisen würden. »Es wird einige Zeit dauern, bis sich die Sommerehe erholt. Wenn sich die Sicherheitslage normalisiert hat, werden eine Menge Heiraten stattfinden. Denn nach der Revolution, wenn wir eine Demokratie sind, werden eine Menge Araber kommen wollen, um zu sehen, was sich getan hat. Dann stehen die Chancen gut, dass wir mehr Kunden, mehr Klienten haben werden. Selbst wenn Ägypten eine Demokratie ist, selbst wenn sich die wirtschaftliche Lage verbessert, wird dieses Geschäft weitergehen«, prophezeite Amir.
    All dies verheißt nichts Gutes für Samia und ihre Leidensgenossinnen, die sich nach einem anderen Leben sehnen. Selbst wenn die Gesetze hieb- und stichfest wären, würden sie ihnen nur wenig Erleichterung bringen: Da Samia über achtzehn ist, sind Beschränkungen der Kinderheirat für sie nicht relevant. Auch die Prostitutionsgesetze sind nicht anwendbar, da ihre Beziehung von einem Ehevertrag sanktioniert wird, der den islamischen Rechtsvorschriften entspricht. Und obwohl sie nach den Buchstaben des Gesetzes Opfer eines Menschenhändlers ist – niemand Geringerer als ihr eigener Vater –, sind die Aussichten, dass sie als Opfer anerkannt wird oder ihren Vater verklagen kann, äußerst gering. Für jede familiäre Schande, ob es das Prügeln der Ehefrau, Inzest, Vergewaltigung oder irgendeine der zahllosen anderen persönlichen Tragödien ist, gilt dasselbe: Die große Mehrzahl der Frauen leidet stumm, wie mir die Leiterin eines Frauenhauses im Zentrum von Kairo sagte, und sie werden dies weiterhin tun, so lange, bis der Preis dafür, dass sie sich wehren, nicht mehr höher ist als der Preis des Erduldens. Die Bande, die Samia an ihren Sommerjob fesseln – finanzielle Not, Verpflichtung gegenüber der Familie und eine islamisch grundierte Schicksalsergebenheit –, lassen sich nicht so leicht lockern, und solange Ägypten einen steten Strom von Besuchern vom Golf und ihren Kaufrausch willkommen heißt, werden ihre Dienste vermutlich weiterhin gefragt sein.

A Man’s World
     
    Als Munir und Nasim diese Vertraulichkeiten mit mir teilten, nannten sie sich selbst oft »gay« oder homo – Wörter, die aus dem Englischen und Französischen entlehnt sind. Zwar gibt es Alternativen im Arabischen, aber sie alle passen nicht so richtig. Historisch betrachtet herrschte kein Mangel an arabischen Wörtern zur Bezeichnung von Männern und Frauen, die es mit ihrem eigenen Geschlecht hatten, aber diese bezogen sich, wie einige Wissenschaftler behaupten, auf Handlungen, nicht auf die Orientierung – Sex mit dem gleichen oder dem anderen Geschlecht sei mehr eine Frage der Aktivität als der Identität, argumentieren sie. Diese Unterscheidung zeigt sich etwa in den klassischen Begriffen luti (ein Mann, der einen jüngeren Mann penetriert) und suhaqiyya (eine Frau, die sich an einer anderen Frau »reibt«).
    Im Lauf des letzten Jahrhunderts haben sich die Wörter, die Menschen benutzen, um über gleichgeschlechtliche Beziehungen zu sprechen, geändert, worin sich der Wandel der Zeiten widerspiegelt – eine Veränderung, die ich in meiner eigenen Familie erlebt habe. Wenn mein Vater über Homosexualität spricht, verwendet er die Wörter khawal und ‘ilq , die den aktiven und passiven männlichen Partner bezeichnen und die oftmals als Beleidigung oder im Spaß benutzt werden; meine Cousins, die der darauffolgenden Generation entstammen, reden von shadh (ausgesprochen: shaz ), ein Wort, das »abweichend« bedeutet und um

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