Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)
vor, und die Mutter sagte mir, die Mädchen bräuchten Geld, um sich das kaufen zu können, was sie benötigten. Die Mutter sagte mir, der Bräutigam könne beide heiraten, aber er wollte nicht. Er sagte: ›Ich bin alt, und ich kann das nicht tun.‹«
Diese Vereinbarungen ähneln einigen der »informellen« Ehen, die wir in Kapitel 2 erörtert haben, aber im Unterschied zu der Heimlichtuerei, die diese Verbindungen oftmals umgibt, ist eine Sommerehe eine Familienangelegenheit. Eltern kommen zu der »Feier«, freilich eine schlichte Zeremonie im Vergleich zu dem Rummel, der mit einer echten ägyptischen Hochzeit einhergeht. Der Schlüssel des Verfahrens ist die Unterzeichnung des Ehevertrags – »im Namen Gottes und in der Tradition des Propheten, Friede sei mit Ihm« –, in dem beide Seiten versprechen, ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen; dazu gehören unter anderem die finanzielle Unterstützung durch den Ehemann und Gehorsam und eheliche Bereitschaft seitens der Frau. Anders als eine offizielle Eheschließung, die von einem ma ’ dhun geleitet und behördlich registriert wird, behalten bei diesen Vereinbarungen beide Seiten und der Anwalt Ausfertigungen des Vertrags, die zerrissen werden, sobald das Paar getrennte Wege geht. Die Annullierung dieser Verbindungen ist an keinerlei Bedingungen geknüpft; die Frau erhält lediglich das Geld, das ihr im Voraus von ihrem Partner versprochen wurde.
Im Verlauf von zwei Jahren hatte Samia drei Sommerehen. Das ist für Hawamdiyya’sche Verhältnisse wenig; Mahmoud kennt junge Frauen, die jedes Jahr fünf oder sechs dieser Verbindungen eingehen, was bedeutet, dass sie im Grunde ihren Ehevertrag verletzen, weil sie ‘ idda nicht eingehalten haben, also den dreimonatigen Zeitraum, den Frauen laut Koran zwischen zwei Eheschließungen warten sollen, um ihren früheren Ehemännern die Gewissheit zu geben, dass sie nicht schwanger sind. Jedenfalls geht es für Frauen wie Samia um grundlegendere Rechte. Im Vertrag heißt es unmissverständlich, dass sie die Verbindung aus freien Stücken eingegangen sei, aber Samia hat das Gefühl, keine große Wahl gehabt zu haben: »Mein Vater zwang mich dazu zu heiraten, weil er mich loswerden wollte.«
Nicht nur Armut treibt Familien dazu, sondern auch die zunehmende Konsumorientierung. »70 Prozent der Mädchen, die ich in dem Dorf kenne, gehen solche Ehen ein; zwei enge Freundinnen von mir haben es auch getan«, sagt Samia. »Die meisten Mädchen reden über diese Ehe unter dem Aspekt des Geldes. Was mich angeht, so wollte ich, dass meine Schwester ihr Studium fortsetzen kann; aus diesem Grund habe ich mich bereit erklärt zu heiraten. Ich will nicht, dass meine Schwester das gleiche Problem hat.« Dieses Geld hat jedoch seinen Preis. Samia schlägt die Augen nieder und senkt ihre Stimme, als sie ihre Ehemänner beschreibt: »Die meisten von ihnen machen Analverkehr mit mir und nehmen Medikamente [Viagra] ein. Einer von ihnen sah sich Videos und Sexszenen an, und danach hatte er Sex mit mir. Einer wollte ständig mit mir schlafen, ein anderer dagegen war träge und verlangte kaum Sex von mir. Der Dritte schlug mich einmal.« Die Mädchen werden in diesen Beziehungen nur selten schwanger, sagt Samira, weil sie alle irgendeine Form der Verhütung praktizierten. Kondome sind darin allerdings nicht inbegriffen, was diese jungen Frauen dem Risiko aussetzt, sich alle möglichen sexuell übertragbaren Krankheiten zuzuziehen; Samia selbst war nach einer dieser Ehen »krank durch Sex«.
Mahmoud bezeichnet seine Arbeit ganz offen als Prostitution. »Ich weiß, es ist hara m ,aber das ist nicht mein Problem.« Seine wirkliche Arbeit verschweigt er seiner Familie; Mahmouds Ehefrau glaubt, er sei in der Reisebranche tätig. Amir dagegen, ganz der Anwalt, beteuert, diese Verbindungen seien nicht zu beanstanden. »Meines Erachtens handelt es sich bei den Ehen nicht um Prostitution«, sagt er, »denn sie sind legal und shar ‘i .« Formaljuristisch mag das stimmen: Samias Ehe hakt all die richtigen Kästchen ab, was die islamischen Formalitäten anlangt, vom zweifelhaften Inhalt einmal abgesehen. Aber sie selbst ist nicht überzeugt. »Als Kind ging ich regelmäßig in die Moschee. Ich bin ein religiöses Mädchen, aber ich weiß, dass ich etwas Verbotenes ( hara m ) tue, wenn ich mich auf diese Ehe einlasse.« Auch für ihre Familie ist es ein Problem. Wenngleich Sommerehen in Hawamdiyya weit verbreitet sind, so sind sie doch auch eine Quelle
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