Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)
der Schande. Samias Mutter sagt, sie habe keine Freundinnen in der Stadt, und sie führt diese Isolation auf das Kommen und Gehen von Menschen zurück, die in Kairo Arbeit suchen. Mahmoud dagegen meint, das habe mehr mit gesellschaftlicher Ächtung als mit Migration zu tun. »Einige Familien brechen den Kontakt zu Familien ab, die in dem Geschäft tätig sind; sie sind konservativ und religiös … Sie wollen nichts mit diesen Familien zu tun haben, um nicht in einen schlechten Ruf zu geraten.«
Nach ihrer Zukunft gefragt, sagt Samia, aus dem Geschäft auszusteigen sei ihr vordringliches Ziel. Ihre intelligenten Augen leuchten auf, wenn sie ihre Ambitionen beschreibt: Sie würde gern wieder auf die Schule gehen, die sie mit zwölf verlassen hat, und Englisch lernen. Was ihre Heiratschancen angeht, ist sie nicht besonders hoffnungsvoll. Da ist ein junger Mann im Ort, den sie mag, aber sie geht ihm jetzt aus dem Weg. »Ich habe die Beziehung mit ihm beendet, denn er wird erfahren, was ich tue, und traurig sein«, sagt sie mit einem Bedauern, das man von jemandem erwarten würde, der weit älter ist als sie. Samia ist hin- und hergerissen zwischen dem Hass auf Männer und dem Wunsch, jemanden zu finden, der sie aus alldem herausholt. »Mal sehen, vielleicht mache ich diese Operation, um wieder Jungfrau zu werden, wenn ein Mann, der mich heiraten will, das gern hätte. Ich träume davon, in Zukunft einen guten Mann zu finden.«
In den letzten Jahren hat es Versuche gegeben, gegen Sommerehen vorzugehen, indem man sie mit der breiteren Kampagne gegen Minderjährigenehen in Ägypten in Verbindung bringt, denn Studien zeigen, dass die meisten Bräute bei diesen Urlaubsehen unter sechzehn Jahre alt sind. 5 Unabhängig von Zwang oder Prostitution sind solche Verbindungen aufgrund einer Ergänzung des ägyptischen Kindergesetzes, die das Ehemündigkeitsalter für Männer und Frauen auf achtzehn Jahre heraufsetzte, illegal. Im Parlament stieß diese Reform auf den erbitterten Widerstand von Abgeordneten der Muslimbrüder, die unter anderem behaupten, nach der islamischen Rechtslehre sei die Pubertät die Altersgrenze, ab welcher der Einzelne eigenverantwortlich handeln und daher seine Einwilligung zur Ehe rechtskräftig erklären könne. Tatsächlich betraf eine der ersten Gesetzesreformen, die die ultrakonservativen Verwandten der Muslimbrüder, die Salafisten, als sie ins Parlament einzogen, vorschlugen, die Absenkung des Ehemündigkeitsalters. Diesen Argumenten liegt der gleiche Gedankengang zugrunde, auf den sich auch die Beibehaltung der weiblichen Genitalbeschneidung stützt: dass Mädchen jederzeit sexuell »aus dem Ruder laufen« können, angesichts der Verlockungen des modernen Lebens mehr denn je, und je eher derlei libidinöse Energie in die Ehe kanalisiert wird, desto besser.
Wenn Ägypter freilich von der Minderjährigenehe sprechen, dann meinen sie nicht die Verbindung zweier liebestoller Teenager. Heute geht es bei der großen Mehrzahl der Heiraten von unter Dreißigjährigen um ältere Bräutigame und jüngere Bräute, mit einem durchschnittlichen Altersunterschied von etwa fünf Jahren. 6 Bei denjenigen, die sich für Menschenrechte einsetzen, lösen wiederum nicht diese Heiraten Bestürzung aus, sondern jene, bei denen der Altersunterschied zwischen Ehemann und Ehefrau ein halbes Jahrhundert beträgt. Solche Verbindungen zwischen frisch aufbrechender Frühlingsknospe und ergrautem Lebemann entfachen auch am Golf zunehmend Kontroversen; in den letzten Jahren haben einige prominente Fälle von Kindsbräuten, die versuchten, ihren mittelalten oder betagten Bräutigamen zu entfliehen, in Saudi-Arabien und im Jemen für Schlagzeilen gesorgt. In diesen Ländern sind über die Hälfte der Frauen im Alter von achtzehn Jahren verheiratet, und jüngste Bemühungen, das Ehemündigkeitsalter heraufzusetzen, sind auf den erbitterten Widerstand konservativer Muslime gestoßen. 7 Wohingegen die zweithöchste religiöse Autorität Ägyptens, der Großmufti, Stellung gegen Sommerehen mit einer minderjährigen Braut bezog. 8 Die Befürworter behaupten jedoch, solche Heiraten seien uneingeschränkt erlaubt, weil sie dem Vorbild des Propheten Mohammed und seiner Lieblingsfrau Aisha folgten, die sechs Jahre alt gewesen sein soll, als er sie heiratete, und neun, als die Ehe vollzogen wurde – obwohl dies heute von einigen Religionsgelehrten angezweifelt wird.
Der Feldzug des Mubarak-Regimes gegen die Sommerehe-Industrie war
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