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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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einfachen Dingen wie zusammen fernsehen bis zu den komplexen Verbundenheiten, die entstehen, wenn man andere in Geheimnisse einweiht. »Einige von ihnen sagten: ›Wenn du ein Essen willst, steht dir mein Haus immer offen.‹« Er lächelte: »Dadurch wurde eine Brücke zu mir geschlagen, und ich überquerte sie. Das ist die Liebe, nach der ich gesucht habe. Es hat mir gezeigt, dass es abgesehen vom gleichgeschlechtlichen Sex noch eine andere Art von Liebe gibt.« Rashad stellte fest, dass diese verschiedenen Interaktionen mit Männern sein männliches Identitätsgefühl stärkten, und er sagt, nach und nach habe er aufgehört, Männer in einer sexuellen Weise wahrzunehmen. Kritiker der Reparativtherapie behaupten, dass diejenigen, die ihre Orientierung ändern, sehr wahrscheinlich von Anfang an eine gewisse heterosexuelle Neigung besaßen, doch Rashad bestreitet dies kategorisch: »Ich war sexuell nicht ›dazwischen‹. Zuvor hatte ich mich nie für Mädchen interessiert. Aber danach gab es Mädchen!«
    Rashad machte über zehn Jahre Therapie. Er ist mit einer Frau verheiratet, die über sein Vorleben Bescheid weiß und die ihn gegen den Wunsch ihrer Familie heiratete. Rashad räumt ein, es sei ihm nicht leicht gefallen, sich an Sex mit Frauen zu gewöhnen, wobei ihm sogar einige mechanische Grundkenntnisse fehlten: »Ich wusste nicht, dass man mit einer Frau von vorn [vaginal] verkehrt. Ich dachte immer, dass man eine Frau von hinten nimmt. Ich hatte niemanden, der diesen Irrtum korrigierte. Erst ein Arzt hat mich Jahre später aufgeklärt. Es dauerte einige Zeit, bis es mir Spaß machte. Vor meiner Ehefrau versuchte ich es mehrmals mit anderen Frauen; es machte mir nicht so viel Spaß wie homosexueller Sex. Ich habe festgestellt, dass homosexueller Sex lustvoller ist als heterosexueller Sex.« Heute aber habe er eine gute sexuelle Beziehung zu seiner Ehefrau, beteuert er, und sie haben einen Sohn und eine Tochter.
    Während Rashad durch die Reparativtherapie sein Lebensglück gefunden zu haben scheint – und zwar so, dass er heute Männer in ähnlichen Schwierigkeiten als Laientherapeut unterstützt –, räumt Wasfy ohne weiteres ein, dass sie nicht bei allen funktioniert und dass auch nicht alle homosexuellen Männer sie brauchen. Seine therapeutische Arbeit findet viel Lob, aber auch jede Menge Kritik – von allen Seiten. Konservative Muslime werfen Wasfy vor, seine Klinik sei ein heimlicher Homotreff. Andererseits hörte ich einmal, wie schwule Männer aus Tunesien und dem Libanon ihn als einen »Agenten von [Präsident] Bush« geißelten, bevor sie unter Protest aus einer Veranstaltung mit ihm hinausstürmten, als er behauptete, Homosexualität sei eine psychische Störung.
    Es gibt Experten in der Region, die Wasfys Ansatz genauso kritisch gegenüberstehen. Dorra Ben Alaya, eine Professorin für Sozialpsychologie an der Universität Tunis El Manar, hat die gesellschaftliche Darstellung von Homosexualität und die Art und Weise, wie diese womöglich zur Ausbreitung von HIV beiträgt, erforscht. Sie ist entsetzt über die Vorstellung, Homosexuelle in Heterosexuelle umwandeln zu wollen: »Die Reparativtherapie ist absurd. Im DSM wird Homosexualität nicht länger als Krankheit klassifiziert. Wenn ein Arzt sagt, er könne die sexuelle Orientierung einer Person ändern, dann bedeutet dies, dass diese Orientierung nicht normal ist. Ich sehe ein Problem darin, wenn wir jeden Menschen, der gesellschaftlich nicht angepasst ist, reparieren wollen. So kommt die Menschheit nicht voran. Dann verharren wir auf der Stufe des prähistorischen Menschen. Wir sehen alle gleich aus, ziehen alle das Gleiche an und verhalten uns alle gleich. Wenn die Natur etwas hervorbringt, hat es eine Funktion.«
    Ben Alaya hat in Frankreich promoviert, und das merkt man ihr an – von ihrer schicken Kleidung bis zu der Art und Weise, wie sie über sexuelle Orientierung spricht. Sie ist eine Befürworterin der sogenannten Gay Affirmative Therapy (affirmative Psychotherapie), die homosexuellen Männern und Frauen helfen will, mit ihrer Orientierung besser zurechtzukommen. »Wenn diese Personen depressiv sind, dann nicht, weil sie homosexuell sind, sondern weil sie ihre Homosexualität nicht annehmen. Die Aufgabe eines Psychiaters besteht darin, diese in ihre Persönlichkeit zu integrieren. Zum Beispiel: Jemand, dem eine Hand fehlt, ist depressiv, und Menschen starren ihn deshalb auf der Straße an. Ist es besser, die Hand durch eine

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