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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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das, was am schwersten zu ertragen ist«, seufzte er. »Bis heute bedrängt mich meine Mutter. Jedes Mal, wenn wir uns sehen, spricht sie übers Heiraten.« Obwohl Nasim seinem Vater seine sexuelle Orientierung offenbarte, trieb die Tatsache, dass er keine eigene Familie hat, einen Keil zwischen sie. »Jedes Mal, wenn in der Familie über Heirat gesprochen wurde, wurde mein Vater traurig und verstummte. Ich sagte mir, dass ich meinen Vater noch unglücklicher gemacht habe. Bis zu seinem Tod hoffte er, ich würde heiraten. Ich erzählte ihm [von meinen sexuellen Beziehungen], und es tat mir gut, aber eben nicht ihm.« Gegenüber seiner Mutter versuchte Nasim es schließlich mit einer anderen Taktik. »Hör mal, Mama, ich werde nie heiraten. Ich kann eine Frau sexuell nicht befriedigen, und dies würde nur zu einer Scheidung führen«, erklärte er, wobei er auf Scheinbesuche beim Arzt und medizinische Gründe für seine angebliche Impotenz verwies. »Ich konnte ihr nicht die Wahrheit sagen. Sie will es nicht glauben. Ich fürchtete, sie könnte einen Herzinfarkt erleiden«, sagte er mir. »Wenn ihr etwas zustößt, werde ich es mir nie verzeihen. Ich muss es ihr sagen, aber sehr behutsam.«
    Obwohl Nasim ein erfolgreicher Akademiker mit eigener Wohnung ist, hat es sich als schwierig erwiesen, einen gemeinsamen Hausstand mit einem anderen Mann zu gründen. Auch wenn die Nachbarn durchaus neugierig sind, ist es ein Vielfaches weniger aufdringlich, als wenn er mit einer Frau zusammenleben würde, und, so Nasim, solange man diskret ist, lassen sich Lebensgemeinschaften halbwegs kaschieren. Aber das genügte nicht, um Walid, vier Jahre lang sein Liebhaber, dazu zu bewegen, bei ihm einzuziehen. »Ich habe Walid immer wieder gesagt: ›Komm, lass uns doch zusammenleben.‹ Aber er konnte nicht. Seine Eltern würden es nicht verstehen. Wenn er eine Nacht pro Woche bei mir blieb, war das schon nicht leicht.«
    Nasim sprach von Walid in der Vergangenheit, weil dieser ihm gerade den Laufpass gegeben hatte. Sein Liebhaber hatte beschlossen, eine junge Frau zu heiraten, die er ein paar Monate zuvor kennengelernt hatte – was für Nasim völlig überraschend kam. »›Ich verlobe mich, und ich will, dass du dabei bist. Du bist so wichtig in meinem Leben. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen, aber ich will, dass es anders wird‹«, so erinnerte sich Nasim, fassungslos den Kopf schüttelnd, an Walids Ankündigung, die wie eine Bombe einschlug. Es ist eine Geschichte, die man häufig hört – ich habe eine lange Reihe gebrochener Herzen von Casablanca bis Beirut gesehen, Männer, die ihre Liebhaber an heterosexuelle Ehen verlieren, manche Partner, die weiterziehen, weil sie es wollen, andere, die es unter dem Druck ihrer Familie tun, und einige, die sich selbst und der Außenwelt beweisen wollen, dass sie keineswegs homosexuell sind.
    Was immer der Grund für die Entscheidung seines Geliebten gewesen sein mag, sie brachte Nasim jedenfalls zum Nachdenken. »Ich sag dir was, Shereen, Walid hat mich gerade verlassen. Ich habe keinerlei Hoffnung, dass ich einen anderen finden werde, er war die einzige Liebe meines Lebens«, meinte er traurig. »Ich muss einsehen, dass es sehr schwer ist, mit einem Mann zusammenzuleben, ein stabiles Leben mit einem Mann zu haben«, fuhr Nasim fort, als hätte ihn dieses Ereignis in eine Midlife-Crisis gestürzt. »Ich hab’s satt. Ich habe Angst davor, allein alt zu werden. Heute Morgen nahm ich mein Handy und fragte mich selbst, Nasim, wer sind deine schwulen Freunde? Wer ruft dich an? Ich fand nur zwei. Und wenn ich ausgehe, sind es vierzig, aber ic h rufe sie an, ic h lade sie ein. Ich bin der Fahrer. Immer bin ich es, der sich bemüht – an dem Tag, an dem ich keine Energie mehr dafür habe, werde ich allein sein.«

Zukunftsmusik
     
    Erfahrungen wie diese unterstreichen Forderungen von LGBT-Aktivisten in der Region, ihren Kampf in einen breiteren Kontext einzubetten. Diese Strategie verdankt sich zum Teil Ängsten vor einer konservativen Gegenreaktion, wenn der Fokus auf dem Schreckgespenst der »Schwulenrechte« liegt, aber mehr noch der Einsicht, dass Nonkonformismus und Vielfalt im Allgemeinen – ethnische, religiöse, rassische und sexuelle – bei vielen Menschen Unbehagen und Widerwille hervorrufen, und dies nicht nur in Beirut, einer Stadt, in der die konfessionelle Diversität sowohl Segen als auch Fluch, schöpferische und zerstörerische Kraft war und ist. Moumneh ist

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