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Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition)

Titel: Sex und die Zitadelle: Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shereen El Feki
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florieren, behauptet Wasfy das Gegenteil: Gerade die kulturelle Intoleranz in Gestalt der politischen Korrektheit des Westens verhindere, dass die Reparativtherapie die Ressourcen erhalte, die notwendig werden, um jene großangelegten Langzeitstudien durchzuführen, die ihre Wirksamkeit bestätigen könnten. Er ist auch nicht damit einverstanden, dass Homosexualität nicht länger als psychische Störung klassifiziert wird, und er lässt keinen Zweifel daran, woher der Druck kommt: »Die Schwulenrechtsbewegung tabuisiert [bestreitet] die Auffassung, dass es sich um eine Störung handelt und Veränderung möglich ist. Sie verfolgen eine Doppelmoral. Sie wollen Freiheit, aber sie geben anderen kein Mitspracherecht.«
    Obwohl Wasfy von seinem Glauben inspiriert ist, weist er doch sogleich darauf hin, dass die Therapie, die er praktiziert, nicht christlich ausgerichtet ist und dass mehr als drei Viertel seiner Klienten Muslime sind. Er glaubt allerdings, dass es für Christen leichter ist, mit diesem Ansatz Erfolge zu erzielen. »Die christliche Theologie hat viel Raum für Wandel und Wunder, für Heilung. Christen glauben mehr an Veränderungsfähigkeit, an Gnade und bedingungsloses Angenommensein. Von daher glaube ich, dass es [die Therapie] Christen mehr hilft«, sagte er mir. »Diese Eigenart der christlichen Kultur erleichtert es Christen, ihre Probleme offen anzusprechen und andere ohne Verurteilung anzunehmen.«
    Wasfy behauptet, mit seiner Methode gewisse Erfolge zu erzielen. Seinen Starpatienten lernte ich in Wasfys Praxis in einem Wohnhaus in einem geschäftigen Viertel Kairos namens Madinat Nasr kennen, schräg gegenüber einer riesigen Moschee, deren dröhnender Gebetsruf unser Gespräch untermalte. Rashad ist ein hochgewachsener, gutaussehender Mann über dreißig mit einer offenen, einnehmenden Art und einem lebhaften Sinn für Humor. Man käme nie auf die Idee, dass er Probleme mit seiner Sexualität hatte. Dabei hatte er einen rauen Start ins Leben. Sein Vater setzte ihn aus, und Rashad wuchs in einem Waisenheim auf, wo ihn einige der anderen Jungen sexuell missbrauchten.
    Während der nächsten Jahre hatte Rashad alle paar Tage Sex mit Männern; er war überwiegend der passive Partner. Es war für ihn nie ein Problem, einen Mann zu finden, aber die Beschimpfungen und Witze setzten ihm zu: »Sie beschimpften mich als ab u shakha [Sohn eines Scheißhaufens] und mult i [Sodomit]. All diese Beleidigungen waren Spuren der Schande, die mir aufgestempelt wurden. Wenn mir jemand sagte, ich sei gut, dachte ich, der will Sex.«
    Mit zwanzig begann Rashad seine Lebensweise in Frage zu stellen. »Ich spürte immer deutlicher, dass ich aufhören sollte, Sex mit Männern zu haben. Zuerst sah ich mir die Leute um mich herum an, die normal waren, während ich nicht normal war. Ich fragte mich: Wurde ich so geschaffen und wollte mich Gott so, oder bin ich in einer Situation, wo ich zwischen beidem wählen kann?« Zunächst wandte er sich an eine Reihe von Ärzten, die ihm jedoch offene Ablehnung entgegenbrachten. Und auch die Kirche brachte ihm keine große Erleichterung: »In der Kirche lernte ich jemanden kennen, und ich sagte ihm, dass ich ein Problem habe. Er fragte mich, was es sei. Ich wollte es ihm sagen, aber ich hatte Angst. Er sagte mir, dies komme von Satan und ich solle es nicht tun. Als ich ihm das nächste Mal begegnete, war es anders. Er sah mich schief an, und als er mich in der Nähe eines kleinen Jungen sah, sagte er: ›Geh weg von ihm!‹«
    Durch Freunde kam Rashad zu Wasfy. Zunächst fühlte er sich in den Gruppensitzungen sehr unwohl, aber schließlich fasste er so viel Zutrauen, dass er über seine sexuellen Begierden sprach. »Ich entdeckte nach und nach, dass es so etwas wie bedingungslose Liebe gibt – jemand nimmt mich so an, wie ich bin. Das ist in der ägyptischen Gesellschaft nicht allgemein präsent. Wenn sie hören, dass jemand ein Dieb ist, wird er für den Rest seines Lebens als Dieb gebrandmarkt. Wenn jemand als Ehebrecher gebrandmarkt ist, ist er für immer ein Ehebrecher. Wenn er als Homosexueller gebrandmarkt ist, ist er sein Leben lang ein Homosexueller, und niemand wird ihm nahekommen«, sagte er mir.
    Nachdem Rashad innerhalb der Gruppe Selbstvertrauen entwickelt hatte, vertraute er seine Geschichte Freunden außerhalb der Gruppe an, von denen einige homo- und einige heterosexuell waren. Sie sind die Familie, die er nie hatte, sagt er, ihre gemeinsamen Erfahrungen reichen von

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