Sex und Folter in der Kirche
Immer moder-nere Maschinen standen bereit; sie waren nicht zufällig erfunden worden.
Das Instrumentarium der Folter? Ohne dieses konnte die peinliche Befragung29 weder ihr Werk beginnen noch abschließen; Ma-
schinen der religiösen Definition im Kopf der Jünger und Maschinen zum körperlichen Malträtieren der als böse, fremd, anders Definierten sind Voraussetzung jeder Inquisition. Der patriarchalen Phantasie (Frauen gehörten weder zu den Erfindern noch zu den Exekutoren!) sind keine Grenzen gesetzt: Es gibt so gut wie keine auszudenkende Maschine, die nicht gebaut worden wäre. Der Eifer und die Einbildungskraft, die an der Erfindung der Requisiten arbeiteten, lassen unsere Anstrengungen jenseits aller Realität verharren.30 Wir können nichts imaginieren, was es da nicht schon gäbe. Viele Apparate tragen doppelsinnige, ja neckische Namen, als sei ihren Bedienern daran gelegen gewesen, die Bedeutung ihrer Tätigkeit durch verharmlosenden Spott gegen die Opfer zu unter-streichen. Nicht selten sind die Namen dem christlichen Fundus entlehnt. Mehrere tragen den Hinweis »spanisch«, um auf ihre
katholisch-inquisitorische Herkunft und das Land ihres hauptsächlichen Gebrauchs aufmerksam zu machen.
Herrschaften, Werteväter, Patriarchen überlassen nur in den
seltensten Fällen etwas dem Zufall; ihre wichtigsten Themen und Gegenstände schon gar nicht. Daher ist die Definitionsmacht längst genauen Regeln unterworfen, organisiert, bürokratisiert, ja ma-schinisiert. Die sie an sich rissen, üben sie nicht mehr charismatisch, von Fall zu Fall, je nach Wirken ihres Geistes aus. Sie gaben ihr die Form maschineller Produktion. Da das Christentum keine zufällig in patriarchalen Gesellschaften existierende Religion darstellt, kann es niemanden verwundern, daß die religiöse Definitionsmacht sich den Vorgaben anpaßte und die Maschinisierung seines Milieus nachbildete.
So sprechen die im Bereich Religion Definitionsgewaltigen sich 197
selbst für alle Menschen, deren Bestes sie als Verwalter menschlicher Angst wollen, eine oberste Kompetenz zu (Erfindung der Maschine31). Das von ihnen definierte System hat hierarchischen Charakter: Es legt von oben her das Oben wie das Unten und die entsprechenden Mittelwerte fest (Bauanleitung der Maschine).
Wirksame Konstruktion und Kontrolle von religiösem Know-how
benötigen eine Organisation, die sich nach denselben Strukturprin-zipien wie das System aufbaut und erhält (Wartung der Maschine).
Die Bedienungsmannschaft der Maschine »Religion« fordert bei
den zuvor als nicht definitionsmächtig definierten Gläubigen einen reproduzierenden Gehorsam. System- und Organisationsfremde
werden als Störfaktoren, die die Bedienung der Maschine behindern, aus der Gruppe ausgegliedert (Leistungswahrung der Ma-
schine). Wo Lücken im System bleiben, stellen Jünger die Maschine der Vorsehung ihres Gottes, die künftige Verbesserungen der Glau-bensorganisation antreibt, zur Verfügung (Innovation).
Eine durchorganisierte Religion lebt nicht vom Wort allein. Sie erstellt eine Maschinerie von geronnenen Gesetzen und steinhart gewordenen Glaubenssätzen, die ein Eigenleben führen und deren bloßer Anblick und Gehör die Gläubigen schrecken. Doch steht die institutionalisierte Religion auch und gerade für die Erfindung, die Legitimation und den Gebrauch von Maschinen, deren Drohung
nicht nur den Gehorsam der ihr Unterworfenen sichert, sondern die auch — noch praktischer — den Schmerz anderer Menschen hervor-rufen, verstärken und ihn an die Peiniger binden. Das religiöse Drohwort bleibt nicht allein. Es ist kein bloßer Hauch mehr, der an einem unbußfertigen Menschen vorbeizöge. In der Maschine wird das Wort Fleisch; hier nimmt es Gestalt an. Die Hölle ist nicht mehr nur jenseitig. Sie kann und muß am eigenen Leibe erfahren werden.32 Eine Foltermaschine nötigt durch ihre Existenz, schreckt ab, hält die Guten vom Bösen fern, führt Böse zum Guten zurück. Was wünschen Gewaltbereite mehr? In ihren Werkzeugen wird ihre
Macht sichtbar; Apologeten weisen auf deren (»geistliche«) Milde hin.33
Bevor die Folterknechte ihr Werk begannen, wurden den Opfern
die Werkzeuge gezeigt, die auf sie warteten. Bereits dieses von der Inquisition als »territio« empfohlene Verfahren zeitigte in nicht wenigen Fällen die erwünschte Wirkung. Die Methode des An-schauenlassens ist erprobt; auch aus den Folterkellern der Gegen-198
wart wird von ihr berichtet.34 Ansehen, begreifen,
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