Sex und Folter in der Kirche
tatsächlich angewandten Dornen-instrumente.159 Nicht einmal der diesbezügliche (legendäre) Jünger-Bericht von der Krönung »Jesu« mit Dornen erzählt, ihr Herr sei dieser Folter erlegen. Doch ist erwiesen, daß die im Verlauf christlichen Strafvollzuges verwandten dornenbesetzten Instrumente so grausam wirkten, daß sie den Tod der Opfer herbeiführten.160
Ähnliches gilt für die verwandten Geißeln.161
Die Grausamkeit der Jünger ist nicht zu übertreffen. Sie weitet das Terrain ihrer Definitionsmacht im Laufe der Zeit weit über den Bereich der Häresie162 hinweg bis zu allen möglichen Formen des Ungehorsams163 aus: Wurden nicht auch Menschen, die nichts
anderes getan hatten, als in der Fastenzeit Pferdefleisch zu essen, von kirchlichen Gerichtshöfen zum Tode verurteilt? Voltaire berichtet: »Ich halte ein solches Urteil in Händen... Dumme und grausame Priester! Wem gebietet ihr denn das Fasten? Etwa den Reichen? Sie hüten sich wohl, es zu befolgen. Etwa den Armen? Sie fasten das ganze Jahr über... Ihr Verrückten, wann werdet ihr eure widersinnigen Gesetze ändern?«164 Wenig Chancen: Das Kirchenrecht des Wojtyla-Papstes schreibt in einer Generalklausel die Ab-stinenz von Fleischspeisen an allen Freitagen des Jahres vor.165
War gar das Heiligste tangiert, das ihr Glaube festhielt, in Erinnerung an den Abendmahlsbericht und die Passion »Jesu« festhalten mußte, kannten Christen kein Pardon. Nachdem sich Dogmatiker
in heftigsten Auseinandersetzungen darauf verständigt hatten, an eine Verwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi glauben zu lassen, wurden die von eigens dazu bestellten Priestern geweihten Brote zu Objekten ständiger und zunehmend intensiverer Verehrung.166 Hostien (lateinisch: hostia = Opfer) mußten aber auch nach außen, gegen Zweifler, Bestreiter, Schänder verteidigt werden.167 So hatte der päpstliche Nuntius Alexander bereits zu Beginn der lutherischen Reformation die Vorstellung entwickelt, durch die Verbrennung von einem halben Dutzend Lutheraner und 219
die Einziehung ihrer Güter sei das Problem, das auf die römische Kirche zukam, von vornherein perfekt zu lösen…168
Auf der einen Seite wurden Christi Blut und Leib magisch ver-
ehrt.169 Ein Beispiel: Schon eine Katechese des Cyrill von Jerusalem (um 348) rät dazu, einen an den Lippen des Gläubigen zurückge-bliebenen Tropfen des Abendmahlsweines aufzunehmen und damit
die Augen und die Stirn zu bestreichen, um diese zu »heiligen«.170
Andererseits war Gotteslästerung schwerster Strafen würdig; 1224
hatte Kaiser Friedrich II. den Feuertod für Häresie,171 1269 der heilige Ludwig, König von Frankreich, die Verfolgung von Flu-chern und Lästerern der Gottesmutter oder eines Heiligen angeordnet.172 Ein Gesetz von 1478 bestimmte, daß Rückfälligen die Zunge mit glühenden Eisen durchbohrt wurde, bevor sie die Todesstrafe erlitten. Eine königliche Verordnung vom 20. Mai 1686, gegeben zu Versailles, verurteilte sakrilegische Soldaten zur Durchbohrung ihrer Zunge.173 Der Preußenkönig Friedrich II. aber nannte einund-fünfzig Jahre später, zur Verwunderung seiner christlichen Zeitgenossen, die Anklage auf Gottlosigkeit »die letzte Zuflucht aller Verleumder«174.
Als Sakrileg, die Verunehrung Gottes durch Verletzung ihm ge-
weihter Personen, Sachen und Orte,175 galt die Profanierung von Hostien und heiligen Gefäßen,176 die nur mit dem Scheiterhaufen gesühnt werden konnte, wobei die öffentliche Abbitte und die
Verstümmelung der verbrecherischen Hand nicht vergessen wur-
den.177 Schon der Sachsenspiegel (um 1224 bis 1231), das älteste und einflußreichste Rechtsbuch des deutschen Mittelalters, hatte generell geurteilt: »Welcher Christen mann oder weib ungleubig ist etc., die soll man auff einer horden brennen.«178 Es blieb nur noch, den Unglauben näher zu umschreiben; in dieser Hinsicht waren der Definitionsmacht der Jüngerschaft ebensowenig Grenzen gesetzt wie ihren Vollzugsmethoden. Sakrilegisch waren die Profanierung heiliger Bilder und Reliquien sowie die Brandschatzung geweihter Kirchen wie Kapellen. Auch Kirchendiebstähle, die Altartücher, Kerzen, Weihrauchfässer betrafen, wurden wie Sakrilegien behandelt. Und wer einer von den vielen Prozessionen die schuldige Ehrfurcht versagt hatte, wußte desgleichen, was auf ihn wartete.
Unnötig zu sagen, daß die Strafmaßnahmen die Sittlichkeit und Gottes Verehrung kaum hoben; die Vielzahl der Strafgesetze gegen das Fluchen belegt,
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