Sex und Folter in der Kirche
erinnern sich noch daran, daß sie selbst - freiwillig? - solche Gürtel anlegten.132
Eigens gefertige Zangen zwickten mit Lust Brüste ab,133 grausam gestaltete Brustkrallen zerfleischten langsam die Brüste unzähliger Frauen, denen von den Patriarchen der Sittlichkeit Ehebruch, Abtreibung und andere libidinöse Akte vorgeworfen worden wa-
ren.134 An manchen Orten und zu gewissen Zeiten — in Deutsch-
land bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein - wurde mit der rotglü-
henden Kralle ein »Biß« angebracht, auf den Brüsten unverheirateter Mütter. Die Kinder lagen während der Tortur zu Füßen der
Mutter und wurden mit deren Blut bespritzt.135 Im Hochmittelalter wurden ehebrecherische Frauen auch gesteinigt,136 auf Lebenszeit in ein Kloster gesperrt oder in eine Schlangengrube geworfen. Ihre Liebhaber kamen ebenso wie Vergewaltiger137 vergleichsweise
glimpflich davon; freilich ist ein Fall überliefert, wonach der betro-gene Ehemann Fleischstücke aus der Leiche des Favoriten seiner Frau als Frikassee serviert hatte.138
Spanische Spinnen, vierfingrige, scherenartige Klauen, meist glü-
hend heiß, dienten dazu, das Opfer am Gesäß, an den Brüsten, am Bauch oder Kopf, oft mit zwei Klauen an Augen und Ohren,
hochzuziehen.139 Ähnliche Geräte werden noch heute bei der Befragung von Frauen in den Polizeistationen mancher Staaten verwen-215
det.140
Die Zahl der Frauen, die — bereits in bischofseigenen Öfen! —
verbrannt141 oder »so dünn gefoltert« wurden, »daß die Sonne
durch dich scheint«142, geht in die Millionen. Sie wurden vernichtet, weil sie sich »dem Teuffel verbunden« oder »in Wolffsgestalt sich verwandlen könden« und »vil Männer, Knaben und Viehs
umbgebracht«143. Die Patriarchen, allesamt Angstbeißer, allesamt Christen, sehen in der massenhaften Folter ebenso wie in der Todesstrafe der Verbrennung eine Warnung und ein Exempel für fromme Frauen und Mägde. Sie richten ihre Brutalmoral auf: Der Feuertod der angeblich Bösen wiegt unter ihresgleichen gering gegenüber der Bewahrung fraulicher Frömmigkeit, Sittsamkeit, Schweigsamkeit.
So konnten Frauen kaltblütig geopfert werden, damit die Ideologie am Leben blieb und das ganze Volk nicht untergehe (Jo 18,14). Das Feuer des Heils wirkte freilich nicht selten anders: Die Moral ließ sich nicht heben, alle Anfeuerung half auf Dauer nur wenig bis gar nicht. Doch den geschundenen Frauen platzten auf dem Scheiterhaufen die Bäuche, die Eingeweide traten heraus, und Schwangere verloren ihre Kinder. Kam ein solches zum Vorschein, wurde es, nach christlicher Definition ein Teufelsbalg, zurück in die Flammen geworfen.144
Blutende Hostien, blutige Pogrome
Bevor weitere Bluttaten nachgewiesen werden,145 ist eine Frage zu stellen und zu beantworten: Waren es nur Christen? Blieben allein sie die Täter? Die Frage, wo die Schar christlicher Märtyrer146
bleibe, von denen fast alle in Religionsunterricht und Katechese hörten, treibt gewiß manche um. Gab es keine Christenverfolgungen? Wurden allein Christen schuldig? Waren sie nicht selbst Opfer? Die Frage wird gern mit einem anklägerisch moralisierenden Unterton gestellt; wie selbstverständlich darf auch das Stichwort
»Redlichkeit« nicht fehlen.
Der unter Christen anzutreffende Mut zur Anklagemoral ver-
wundert: Zumeist gehen Jünger davon aus, daß nur Christenverfolgungen »erster Klasse«, also die Verfolgung von Christen durch Nichtchristen147, eines Hinweises wert seien, während Christenverfolgungen »zweiter Klasse«, die durch Christen148 erfolgten, ver-216
schwiegen oder en bagatelle behandelt werden könnten. Das Erbe der Opfer anzutreten und Predigt-Gewinn daraus zu ziehen fällt Jüngern offenbar leichter, als sich in die riesige Schar der Tätererben einzureihen. Daher verschweigen — auch dies eine Frage der angemahnten Redlichkeit - so gut wie alle Dokumente, Katechismen, Enzykliken, Hirtenbriefe noch immer die Tatsachen. Werden Christen nicht eigens dazu aufgefordert, sehen sie sich nur selten in der Lage, eine unabdingbare Forderung neuzeitlicher Wissenschaft zu erfüllen und beide Seiten zu Wort kommen zu lassen.
Die Antwort auf die gestellten Fragen setzt sich aus verschiedenen Teilen zusammen. Sie fällt in keinem Fall zugunsten des Chri-stenkalküls aus. Zum einen ist die tatsächliche Bedeutung der Christenverfolgungen (erster Klasse) bei weitem nicht so groß, wie sie im parteiischen Religionsunterricht gelehrt wird.149 Christen haben freilich ihre
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