Sex und Folter in der Kirche
Nachttöpfen herbeigetragen und in den Mund, die Nase, das Haar der Frau geschmiert.125
Allerdings finden sich auch förmliche Faßpranger, bei denen das Opfer von vornherein in Fäkalien, Urin, faulendem Wasser stehen mußte. Männer zogen Messer, mit denen die Hilflose geschnitten und teilweise schwer verstümmelt werden durfte. Auch das ständige Kitzeln an den Fußsohlen und Hüften war kaum erträglich.
Viele Vorstellungen über den Pranger müssen angesichts dieser Wirklichkeit verniedlichend wirken.
Die unzuverlässige, geschwätzige und streitsüchtige Frau: ein Topos der Männerliteratur, ein Dauerthema an Stammtischen, eine Grundangst im Patriarchat. Gegen die auf Männerpsychen lastende Gefahr erfanden Foltertechniker Mundsperren, um Frauen zum
Schweigen zu zwingen. Die Schandmasken, die in phantastischen 213
Formen auf uns kamen,126 beweisen ähnliche Interessen. Frauen, die sich verbal gegen die Machtstrukturen der Männergesellschaft, gegen häusliche Sklaverei und unablässige Schwangerschaften auf-gelehnt hatten, wurden im Laufe von vier christlichen Jahrhunderten auf diese Weise schwer gedemütigt und gefoltert. Zur Erniedri-gung der von Kavalieren und Gentlemen beflissen als schönes
Geschlecht denunzierten Andersartigkeit wurde Frauen im Verlauf der Folter und Exekution das Haar abgeschnitten.127
Die beiden Großmächte des abendländischen Patriarchats, durch und durch frauenfeindlich konstituiert, reichten sich im abgrund-tiefen Haß auf alles Weibliche die Hand: Staatliche Instanzen gaben die Aufmüpfigen der öffentlichen Lächerlichkeit preis, und die Kirchen straften eine lange Liste von geistlichen und unsittlichen Vergehen, für die keine Todesstrafe vorgesehen war. Ihre Opfer aber, in skurrile Masken geschlossen und vor der Menge der Gehorsamen ausgestellt, erlitten nicht nur die Demütigung. Sie waren den Schlägen der Zuschauer, ja tödlichen Verletzungen, vor allem an Brüsten und Genitalien, wehrlos ausgesetzt.
Denselben Zweck verfolgt die orale Birne, ein kunstvoll gefertigter und verzierter Eisenknebel, dessen zugespitztes Ende das Auf-schlitzen der Kehle erleichtert.128 Ähnliche Möglichkeiten bieten die rektale und die vaginale Birne, die, durch Schraubendrehungen ausgeweitet, Eingeweide und Gebärmutter aufreißen. Der tiefere Grund für das Gerät: männliches Bewußtsein, patriarchale Angst vor dem angeblichen Mysterium, Furcht vor der bleibenden Nicht-durchschaubarkeit der fraulichen Natur, Schrecken gegenüber dem dem Logos unzugänglichen Frauenblut (Menstruation129), Sorge
über die nicht zu erreichende Fruchtbarkeit, vor allem aber das latent immer vorhandene Bewußtsein der Männer, intellektuell, moralisch, emotional, sexuell den Frauen unterlegen zu bleiben.
Der Mehrbesitz der Frauen mußte geradezu anankastisch130 an den Organen, die eine Frau zur Frau machen, blutig gerächt werden.
In diesen Zusammenhang gehören auch die vielfältigen Formen
des Keuschheitsgürtels. Zwar mystifiziert eine endlose Legende dieses Requisit: Die Fabel will, daß solche Gürtel während der langen Abwesenheit der Ehemänner die Treue ihrer Gattinnen
sicherten. Vor allem sollen Christen, die zu ihrem Handwerk, dem Krieg und Kreuzzug, aufgebrochen waren, den Gürtel angepaßt
haben. Doch ist die Mär durch kein Dokument zu stützen. Eine
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Frau hätte den Gürtel nur für eine kurze Zeitspanne tragen können; längere Fristen waren wegen der bald auftretenden Blutvergiftung ausgeschlossen.131 Keuschheitsgürtel waren vielmehr Folterwerkzeuge. Ihre Gewalt wirkte zumindest indirekt gegen die Frauen. Sie richteten sich gegen die mögliche Vergewaltigung und damit gegen die Inbesitznahme einer von einem Ehemann für sich allein bean-spruchten Frau durch einen männlichen Konkurrenten, der in der Vergewaltigung das behauptete Exklusivrecht an den Geschlechtsteilen der Ehefrau nachhaltig störte.
Keine Frau gehört in strikt patriarchalen Gesellschaften sich selbst; sie geht aus der Hand ihres Vaters nahtlos in die ihres Gatten über. Gewalttätigkeit und Demütigung des Keuschheitsgürtels sollen die Ehre einer Frau schützen, richten sich jedoch ausschließlich gegen die betroffene Frau und sichern die »Ehre« des Gatten. Männer bedienten sich gegenüber Frauen eines Folterwerkzeugs, um
sich selbst gegen jene Leiden zu schützen, die sie aufgrund der ihnen gut bekannten Natur eines (anderen) Mannes zu erwarten hatten.
Zeitgenössische Frauen aus Spanien und Sizilien
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