Sex und Folter in der Kirche
Vereinten
Nationen über den Schutz vor Folter und anderer grausamer Be-
handlung vom 9. Dezember 1975 lautet: »Unter Folter im Sinne
dieser Erklärung ist jede Handlung zu verstehen, durch die einer Person von einem Träger staatlicher Gewalt oder auf dessen Veranlassung hin vorsätzlich starke körperliche oder geistig-seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, um von ihr oder einem
Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen, sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr begangene Tat zu bestrafen oder sie oder andere Personen einzuschüchtern.«16
Dem verschachtelten Satz ist die Herkunft anzumerken. Da wa-
ren Juristen am Werk, die sich um jede Feinheit der Definition stritten, bevor alle Tatbestandsmerkmale eingefangen waren. Das mag im Sinne dieser Erklärung gelungen sein. Doch ist allein von staatlich angeordneter und/oder durchgeführter Folter die Rede.
Von daher gesehen, paßt der Artikel weder auf unsere Vergangenheit noch völlig in unsere Gegenwart. War dies der Grund, weshalb die USA fast zwanzig Jahre warteten und die Konvention erst 1992
50
unterschrieben?17
Auch bestimmte Religionen sind für das Gift der Barbarei so
anfällig wie das blanke Eisen für den Rost. Religion und Stahl, beide glänzen nur an der Oberfläche. Gewiß, ich habe Rivarols Zitat abgewandelt, doch nicht ohne Grund. Das Befehlsverbrechen Folter weist unter seinen schlimmsten Merkmalen gerade solche auf, die religiösen Ursprung haben und von tiefer Religiosität ge-prägt sind. Es wird auch damit zum förmlichen Glaubensdelikt. An grausamen Beispielen aus Politik und Justiz fehlt es bestimmt nicht.
Doch was so gut wie nicht bearbeitet und trotz einer Fülle von Material und Hunderter zeitgenössischer Bilder nicht belegt wurde, weil es offenbar nicht wirklich und wahr sein darf: Mehr noch als Politik und Gerichtsbarkeit ist der Bereich des Religiösen, des Christlichen, Kirchlichen ausgefüllt von Martern und Qualen.18
Schafe entpuppen sich als reißende Wölfe.
Die Grausamkeit gehört zur ältesten Festfreude unter Menschen.19
Wer Götter nach dem eigenen Bild gestaltet, nimmt an,
diese fühlten sich erquickt und seien festlich zu stimmen, wenn sie grausame Opfer erblicken und annehmen. Schließlich schleicht sich die Vorstellung in die Welt, daß zum einen das freiwillige Leiden, die selbstgewählte Marter, sinn- und wertvoll sei und zum anderen die Folter an jenen, die der eigenen Gruppe als böse Gegner gelten.
Die Lust an verfeinerter Grausamkeit und der Wille, sich vor seinem Gott auszuzeichnen, korrespondieren.20
Nur die Kirchen, nur die Christen? Gewiß nicht. Eine Meldung
vom November 1993: Ein malaysisches Regionalparlament be-
schloß die Einführung eines auf dem islamischen (Religions-)Recht basierenden Strafkodex.21 Das Bundesrecht gilt künftig nur für Nichtmohammedaner. Für Muslime ist fortan geltendes Recht:
Steinigung von Ehebrechern, achtzig Peitschenhiebe für Trinker, Abhacken einer Hand bei wiederholtem Diebstahl. Und ein Räuber läuft Gefahr, zuerst gesteinigt und danach gekreuzigt zu werden.
Diese Bestimmungen stammen aus unserer Gegenwart. Sie sind
zeitgleich mit dem aktuell Erreichten offiziellen Folterfrieden. 1993
waren sie immerhin eine kleine Zeitungsmeldung wert. Im Iran
freilich gilt solches Recht seit der religiösen Revolution des Ayatol-lah Khomeini als diskussions- und förderungswürdig. Als Zuge-
ständnis an die heute geltenden internationalen Normen (auch der Iran unterzeichnete die UN-Konvention gegen Folter von 1984;
51
insgesamt unterschrieben bis jetzt erst neunundsiebzig Staaten22), ist zwar die Folter als solche verboten, doch wird unter anderem das Foltern von Gefangenen durch die »Falaka« angewandt.23 Diese
bewußt nicht als Folter definierte, sondern als islamische Strafe betrachtete, also religiös gerechtfertigte Züchtigung meint Schläge auf Fußsohlen und Beine. Sie stellt eine diabolische Quälerei dar: Die Opfer, Männer und Frauen, werden häufig aufgehängt, in
verrenkter Haltung gefesselt, an ein Bettgestell gebunden. Dann werden sie von Wärtern, die sich ablösen, oft stundenlang mit Drahtseilen geschlagen. Ihre Füße und Beine schwellen an, die Kleidung ist blutdurchtränkt vom Hosenaufschlag bis zur Hüfte.
Viele können nach den Schlägen nicht mehr gehen, die Narben sind noch nach Jahren vorhanden, die Gehbehinderung bleibt, häufig sind auch die Nieren verletzt.
»Zulässige« Formen der Folter
Weitere Kostenlose Bücher