Sex und Folter in der Kirche
schmeckt Blut
Der christliche Gottesbegriff ist einer der
korruptesten Gottesbegriffe, die auf Erden erreicht
worden sind.
Friedrich Nietzsche
Das Christentum unterscheidet sich von anderen
Religionen durch seine größere Bereitschaft zu
Verfolgungen... Die Behauptung, das
Christentum habe einen erhebenden Einfluß auf
die Moral, kann nur aufrechterhalten werden,
wenn man sämtliche historischen Beweise ignoriert
oder fälscht.
Bertrand Russell
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Eine Liebesgeschichte zuvor.
Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere verlangte vom Vater
sein Erbteil. Dann packte er, zog los und verpraßte in der Fremde, was er bekommen hatte. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine Hungersnot über das Land. Da er nichts mehr zu essen hatte, suchte und fand er Arbeit. Beim Schweinehüten. Gern hätte er sich den Magen mit den Schoten gefüllt, die die Tiere fraßen, doch er bekam sie nicht. Da kam er ins Grübeln: Mein Vater hat zu Hause viele Tagelöhner; die haben satt zu essen. Ich sterbe hier vor Hunger. Da ist es doch besser, ich gehe zurück und sage meinem Vater, ich habe vor Gott und vor ihm gesündigt. Auch bin ich wohl nicht mehr
wert, sein Sohn zu heißen. Doch als Tagelöhner wird er mich noch beschäftigen.
So machte er sich auf. Sein Vater sah ihn von weitem kommen,
lief auf ihn zu, fiel ihm um den Hals und küßte ihn. Und der Sohn sagte, was er sich vorgenommen hatte. Da ließ sein Vater ihn
festlich kleiden, und ein fröhliches Mahl wurde vorbereitet. Mitten-drin kam der ältere Sohn von der Arbeit, hörte und sah, daß gefeiert werden sollte, fragte, was los sei. Als er erfuhr, für wen das Fest bestimmt war, wurde er sauer. Doch der Vater redete ihm gut zu.
Das half nicht viel. Der ältere Sohn schimpfte: »Ich habe dir viele Jahre gedient, war dir gehorsam, doch nicht ein einziges Mal durfte ich mit meinen Freunden feiern. Jetzt aber, nachdem mein Bruder sein Hurerleben aufgegeben hat, feierst du ihn!« Der Vater antwortete: »Schau, du bist immer bei mir. Alles, was mein ist, ist dein.
Jetzt aber müssen wir einfach feiern. Dein Bruder war tot und ist wieder lebendig. Er war verloren - und ist wieder da.«
Die Predigt nennt diese Erzählung vom verlorenen Sohn (Lk
15,11-32) seit einiger Zeit gern das Gleichnis vom barmherzigen Vater.
Dementsprechend wird es gefeiert. Ich halte es für eine
zentrale Stelle der Christenbibel wie der patriarchalen Literatur; aus ihm lassen sich höchst interessante Grundzüge des Christentums ableiten. Die evangelische Theologin Jutta Voss1 weist auf bestimmte Sachverhalte hin. Was die mittlerweile von ihrer Kirche gemaßregelte Frau unter der Decke dieser Rede hervorzog?
Im Gleichnis werden Schweine2 genannt. Der Verlorene hat sie, da draußen, weit weg vom Vaterhaus, zu betreuen. Sie sind, zumindest in der damaligen Empfindung, Inbegriff des Verachtenswerten.
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Sich mit Schweinen, den Tiersymbolen für das von den angebli-
chen Hochreligionen verachtete Heidentum, befassen zu müssen, gar ihr Essen teilen zu wollen, das ist in den patriarchalen Religionen Judentum, Christentum und Islam ein menschenunwürdiger
Status. Er muß, um des wahren Menschseins willen, überwunden
werden, der Sohn muß zurück. »Jesus«, dem diese Erzählung von seinen Jüngern in den Mund gelegt wird, weiß, worauf es an-kommt. Und das Christentum ist charakterisiert durch solcherma-
ßen beschriebene und in Millionen Menschen wiederholte Vater-
Sohn-Prozesse.
Die Hauptaussage der Erzählung wird zumeist auf der Ebene
moralischer Schuld und Reue interpretiert. Doch in diesem Gleichnis verbirgt sich ein entscheidenderer Sachverhalt: Es zeigt, wie der Gott beschaffen ist, dessen beste Söhne zu Folterern werden mußten. Dieser Gott übt selbst Gewalt.
Der ältere Sohn im Gleichnis argumentiert genau so, wie es die meisten Menschen täten. Er fordert schlicht die Rechte der Guten ein, zumal er ebenso wie sein Vater über das Treiben des Jüngsten in der Fremde informiert ist. Dann verstummt er. »Jesus« läßt den sonst Gehorsamen, der sich vom Vater auch diesmal überreden
ließ, einfach stehen, bricht die Erzählung ab. Nach Meinung des Evangeliums ist alles Wichtige gesagt. Ob der Ältere aber von der Beweisführung seines Vaters überzeugt ist? Ob er die angesagte Festfreude gar nicht teilen kann? Den so aufdringlich gefeierten Bruder erst recht haßt? Rache gegen den reuigen Rückkehrer
plant?
Das Evangelium klinkt sich da aus, wo die Geschichte des
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