Sex und Folter in der Kirche
moralisch minderwertig klassifiziert.195
Bischof J. Stimpfle (Augsburg) behauptete 1992, »ohne Hoff-
nung auf das ewige Leben« sei ein Mensch »schwer verstümmelt«.
Der Münchner Kardinal F. Wetter offenbarte im Dezember desselben Jahres, der Ausländerhaß entstamme dem »fehlenden Bezug zu Gott«196. Der frühere Kölner Kardinal Höffner hatte Kritiker mit Ratten verglichen, und der bekennende Katholik F. J. Strauß seine Gegner Schmeißfliegen geheißen. Assoziationen drängen sich auf: Kein ordentlicher Christ mag solche Tiere; Schmeißfliegen gehören zertreten, Ratten vergiftet. Meldung 1993: Ein katholischer Priester aus Alabama ruft in Zeitungsannoncen zur Ermordung von
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Ärzten auf, die Abtreibungen vornehmen.197
Offensichtlich finden sich mitten im Christentum ein Idealbild vorn Menschen, dem Ebenbild Gottes, und ebenso zentral ein Anti-bild vom Menschen, ein Zerrbild der Geschöpflichkeit, das in
düstersten Farben gemalt wird und notwendigerweise gelöscht
werden muß, psychisch, gesellschaftlich, physisch. Ob sich schon genügend Christinnen der Tatsache bewußt wurden, daß ihre Religion zur tausendfachen Degradierung menschlicher Würde, zur
systematischen Vernichtung anderer Geschöpfe beitrug? Daß
Nietzsche auf Gleichlaut und Zusammenhang von Nihilist und
Christ verwies?198
Das Prinzip ist so christenmenschlich, daß wir ihm immer wieder begegnen: Fremde, andere, Ausgesonderte, einzelne Menschen
oder Gruppen von Menschen werden zunächst bewußt herunterde-
finiert, als Tiere bezeichnet, als Halb- und Untermenschen klassifiziert, beschimpft, begeifert, bespuckt, bevor sie auch physisch vernichtet werden. Die Opfer sind längst von Predigern des guten Gewissens definitorisch erledigt, bevor Täter Hand an sie legen.
Nie fehlt die Erklärung zur Unperson, kein Mensch wird im Vollbe-sitz seiner Ehre gefoltert oder hingerichtet.
Folter braucht eine Gruppe von Überzeugten, die einen als fremd isolierten Menschen bearbeitet.199 Freilich bleiben die schuldigen Herren seelenruhig am Schreibtisch sitzen. Sie sind, wenn es zur Sache geht, weit vom Schuß. Schließlich vereinnahmten sie den heuchlerischen Satz »Ecclesia non sitit sanguinem« für ihresgleichen: Die Kirche dürstet nicht nach Blut. Nein, wirklich, blutige Hände weisen sie selten vor. Denn sie tun die Drecksarbeit —
Pontius Pilatus machte es vor! - nicht selbst, fassen persönlich nur in Ausnahmefällen zu.200 Unter solchen Wertevätern ist man vornehm zurückhaltend, hält sich andere, staatliche Vollstrecker. Auf der Vorstandsetage der Kirche läßt man erpressen, quälen, töten.
Die erprobte Methode erlaubt es, anschließend für die Seelen der armen Opfer zu beten und sie der Gnade »unseres Gottes« zu
empfehlen.
Folter lebt davon, daß »Rollen zugewiesen, Definitionen des Vertrauten und Fremden geliefert werden « .201 Die Konfrontation findet dort statt, wo es »uns« und »sie« gibt. Die Passion der Grausamkeit findet hier ihre Zielgruppen. Die von ihrer eigenen Erwählung überzeugte römische Kirche bildete nicht von ungefähr niemals eine 97
Widerstandskultur aus, sprach alternativ Lebenden nie Ehre zu.
Sollte sie heute ein Mittel kennen, die an Bürgertischen üblichen Sprüche gegen Fremde zu stoppen und die latenten Emotionen gegen alle aufzufangen, die nicht so sein wollen wie die Anständigen, Normalen? Die Kirche beanspruchte Zeit, um Hoffnung zu zerstö-
ren : Vergoß sie seit dem Antritt ihrer Herrschaft nicht mehr unschuldiges Blut als alle politischen Kriege zusammen?202
Folter fängt im Kopf an, bei der Definition eines anderen Lebens nach unten. Die christliche Religion war nicht zimperlich, dieses Prinzip umzusetzen und zu konkretisieren. Um eines angeblich
höheren Zieles (Interesses) willen zeigten sich Christen bereit, nicht allein Köpfe zu waschen, sondern auch über Leichen zu gehen. Sie brachten es fertig, nicht nur alles fremdartige Denken und Fühlen zu verbieten, sondern auch diejenigen, die sich nicht biegen ließen, zu foltern und zu morden. Zwanzig Jahrhunderte vergeudeten
Christen damit, schmachvolle Theorien in die Praxis zu übersetzen.
Von oben herab verkündeten ihre Führer: Jetzt sind wir auserwähltes Volk; allen anderen bleiben vorletzte Werte, unfertige Moralen, halbgebildete Gewissen. Doch das einzige, was niemandem zusteht, ist, ein Sieger zu sein. Beweis ist die Nachfolge Christi, ihre Verfres-senheit, ihr Verdauungsvermögen. Kirchen werden sich nie mehr
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