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Sex und Folter in der Kirche

Sex und Folter in der Kirche

Titel: Sex und Folter in der Kirche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Herrmann
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Opfertisch. Sein Vater zückt bereitwillig das Messer, um ihn - wörtlich! - zu schlachten.
    Da erst greift der Himmel ein, nimmt Abraham fürs erste das
    Messer aus der Hand, befreit den Sohn in letzter Minute und stellt Ersatz. Diesen Widder — es handelt sich wieder nur um ein Tier —
    schlachtet Abraham anstelle seines Sohnes. Gott aber freut sich königlich. Jetzt erst ist der schlüssigste Beweis erbracht: Dieser Mensch würde alles tun, nicht einmal vor dem Mord am geborenen Leben zurückschrecken, um seinen Gott zufriedenzustellen.
    Wie der Lohn für die schreckliche Gehorsamstat ausfällt? Abraham wird überreich gesegnet. Er selbst soll der Stammvater eines Geschlechts werden, das zahlreich ist wie die Sterne des Himmels und der Sand am Meer, und seine Nachkommen werden Sieger in
    den Schlachten ihres Gottes sein. Blinder Gehorsam, das lernen alle Jünger, die die einschlägigen Predigten hören, rentiert sich bei
    »unserem Gott« ungemein. Sie werden sich danach zu richten
    wissen.
    Eine blutrünstige Geschichte. Aufs neue eine Erzählung, die mit Liebe und Gewalt in einem hantiert und die üblichen Schemata
    verwendet: Gott scheut sich nicht, unter dem euphemistisch religiö-
    sen Namen »Schlachtopfer« den Mord an einem Kind zu befehlen.
    Ebensowenig schreckt er davor zurück, den Mordbereiten gehor-
    sam zu nennen und ihn für diese angebliche Tugend zu belohnen.
    Prediger versäumten es gern, diesen Inhalt der Blutgeschichte zu erwähnen, und Bibeldeuter weigerten sich, ihn als befohlene Untat zu würdigen. Sie hielten sich, um ihres Lohnes willen, bei den Lieblingsbegriffen »Gehorsam«, »Opferwille«, »Belohnung« auf.
    Der blutgierige Teil der Erzählung, der Licht auf Gottes Gewalt und eines Menschen Kadavergehorsam wirft, durfte nur den Hintergrund für Lob und Preis einer Generationengeschichte abgeben.
    Damit erscheint der vollendete Tatbestand des Befehlsverbre-
    chens zweitrangig. Was ein Staatsanwalt von Amts wegen als An-133
    stiftung zum Mord beziehungsweise Mordversuch zu verfolgen hätte, ist auf eine vermeintlich höhere Ebene gehoben und damit
    entschuldigt. Mag auch die Untat heute nicht mehr allen, die von ihr erfahren, als Gottesbefehl erscheinen und ihre Legitimation immer mehr Menschen unglaubwürdig geworden sein: Solche religiösen Sublimierungen hatten Konsequenzen. Verlangt Gott schon in der Bibel den Mord, gehorcht der Gottesliebling aufs Wort. Wird dieser dafür noch überreich belohnt, ist die Entwicklung einer Religion vorgezeichnet: Gott braucht nur noch - durch seine jeweiligen Stellvertreter, Medien, Lautsprecher - zu befehlen, und schon sind Jünger buchstäblich zu allem fähig und bereit.
    Es wird nicht lange dauern, bis der Himmel nicht einmal mehr
    einen Ersatz bereitstellt. Die Messer der Christen treffen fortan keine Widder mehr, sondern Mitmenschen. Patriarchale Religion benötigt Opfer.91 Sie fordert sie selbst: Die Abrahamerzählung steht für viele. Und sie geht auch den umgekehrten Weg: Ein Opfer, das Menschen ihrem jeweiligen Gott anbieten, wird von diesem
    wohlgefällig aufgenommen. Gottheiten sind bereit, ihren opferwilligen Anbetern die Freuden des Himmels für die Krankheiten und Leiden zu versprechen, mit denen sie sie auf Erden überhäuften.92
    Der Mensch, gar der Mann das Ebenbild Gottes? Grausamkeit
    hier wie dort. Die Götter der Männer konnten nicht anders: Patriarchal Denkende und Fühlende betrachteten die Anzeichen ihrer Grausamkeit als Gunsterweise. Die Gottheit prüfte die Standhaf-tigkeit der angeblich Besten, der Vorväter, der christlichen Heiligen, Glaubenszeugen, Jungfrauen, indem sie ihnen Versuchungen schickte: Sehr häufig bezogen sich diese auf die Sexualität. Mit Gehorsam hatten sie immer zu tun. Die Besten taten bereitwillig, was ihnen geheißen. Gerade diese Bereitschaft machte sie in den Augen des Herrn und Vaters zu den besten Söhnen: Indem sie ihr elendes Fleisch folterten und sich selbst - zumindest psychisch -
    kreuzigten, glaubten die Opfer sich ihrem Gott nahe. Er würde sie belohnen, hüben wie drüben. Das schaffte Befriedigung; sie war nicht von Dauer. Die Lust, die Gewalt hienieden schafft, ist offenbar dauerhafter als die Hoffnung mancher auf ein Jenseits.
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    Lust an der Gewalt
    Gewalt mag befriedigender wirken als sexuelle Lust. Auf letztere kann nachweislich verzichtet werden. Im Falle der Gewalt ist ein Verzicht schwerer. Beispielsweise wird »unser Gott« in peinlich auffälliger Weise der Welt als ein

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