Sex und Folter in der Kirche
Repräsentantin der Sonnen-Göttin gilt, auf das Foltergerüst geführt. Die rasende Menge wirft sich auf das Opfer, bricht ihm die Glieder, zwängt es zwischen zwei Planken. Dann wird die Beute zerstückelt. Mit Zähnen und Nägeln faßt jeder nach den Eingeweiden, reißt Stücke aus dem warmen Fleisch, taucht
seine Finger in das Blut, besprengt sich.105 Wer kann die Greuel zählen, die überall auf der Welt zu Ehren einer Gottheit verübt wurden?106 Zum Ruhm oder zur Besänftigung von Vater-Göttern,
deren Wille und Kraft imstande schienen, das Schicksal der Opfern-138
den (nicht der Geopferten) in deren Sinne zu beeinflussen? In den Beispielen ging es darum, eine gute Ernte zu sichern.
Heldenblut und Frauenblut
Gerade Götter brauchen Menschen, die opfern und sich, mehr oder weniger freiwillig, opfern lassen. Bringen die Ihren ihnen Opfer dar, fühlen sie sich augenscheinlich durch die magische Substanz Leben befriedigt, die sich im Blut und in den Herzen der Opfer findet.107
Ich kann beim heutigen Erkenntnisstand nicht endgültig beurteilen, ob diese Blutgier auch weibliche Gottheiten und matriarchale Religionen lebendig erhielt. Doch spricht vieles dafür, daß es vor allem, wenn nicht ausschließlich, Männer, Väter, Patriarchen sind, die nach Blut verlangen und ihre Götter denselben Blutdurst verspüren lassen.
Die Patriarchen und das Blut: Kaum je einmal wird Blut als das betrachtet und bewertet, was es ist, eine geschlechtsneutrale Flüssigkeit, die beiden Geschlechtern, Männern wie Frauen, Leben
spendet und erhält. Zum einen erscheint Blut in patriarchalen Gesellschaften als das der Helden, das in Kriegen, Duellen und anderen Mutproben vergossen wird, um patriarchale Werte wie
Ehre, Nation, Religion zu sichern. Eisen und Blut gehören gerade hier zusammen. Auch kennen wir immer noch einschlägige Begriffe wie »Blutrache«, »Blutgeld«, »Blutschande«, »Blutzeuge«, »Blutli-nie«, »Blutsbrüderschaft«. Noch in unserem Jahrhundert, mitten in unserem Land, ließen sich Blut-und-Boden-Dichtungen feiern,
»Blutfahnen« weihen, »Blutorden« akzeptieren.108 Und nicht zu-fällig wurde dem männlichen Blut, auch dem männlicher Opfertiere, schon früh eine reinigende, sühnende, heilsame Kraft zugeschrieben.109 Sie hatte ihre religiöse Wurzel.
Zum anderen wurde in einem jahrhundertelangen Umwertungs-
prozeß das Blut der Frauen, ein ursprünglich heiliges Energiefeld des matriarchalen Kultes,110 zum unreinen Saft herabdefiniert.
Auch diese Definition ist religiös legitimiert; ihre Folgen wurden in sogenannten Reinheitsgeboten legalisiert. Nun ist die Frau als solche durch ihr Blut (Menstruation, Geburt) unrein, und spezifisch frauliche Lebensumstände und Erfahrungen sind an den Rand der Sünde gerückt. Männer halten sich am besten fern und gehen ihrer 139
eigenen blutigen Tätigkeit nach...
Es scheint bis heute, als hätten Frauen grundsätzlich ein anderes Verhältnis zum eigenen wie zum fremden Blut, während »die einzig wahren Söhne des Vaters geistiger Art«111 sind und nicht einfach aus dem Blut stammen. Solche Söhne werden nicht durch Zeugung, sondern durch Überzeugung und Adoption gewonnen. Sie zählen
dann zur Familie, Gruppe, Kaste. Diese Zugehörigkeit — und nur sie — verschafft ihnen auch die Legitimation zum Kriegführen,112
aber auch zum religiösen Opfern, Foltern, Töten - im Auftrag ihres Sippenoberhauptes, ihres Gottes.
»Unser Gott« ist einmalig. Denn am höchsten wird, wie bei
Abraham und Isaak, das Opfer bewertet, das dem Opfernden am
nächsten steht. Einen Mord am lebendigen Menschen, gar dem
Sohn, fordern zu können und ihn wirklich zu erhalten erhebt einen Gott offenbar über alle anderen. Nur eine einzige Steigerung ist noch denkbar: Ein Gott muß sich selbst opfern, was ihm am meisten bedeutet: seinen einzigen Sohn. Der Gott der Christen schaffte bekanntlich auch dies; keinem anderen wäre eine derartige Prüfung der Vaterliebe eingefallen.
Auf dem Hintergrund der Verteufelung des Frauenblutes und der Heiligung des männlichen Blutes konzentriert sich das Christentum auf den Mann am Kreuz. Sein kostbares Blut, von dessen Verehrung noch zu sprechen sein wird, soll ewiges Leben garantieren.
Das »Blut des Neuen Testaments« (Mt 26,28) macht »uns rein von aller Sünde« (l Jo 1,7). Durch sein Blut sind wir erlöst (Eph 1,7), und sein Blut ist für uns »der rechte Trank« (Jo 6,55). Zumindest der christliche Männerbund hat künftig sein
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