Sex und Folter in der Kirche
Belohnung hoffen. Den übrigen seine Hölle. Wer zu diesen anderen gehört? Zum Beispiel und geschichtlich an erster Stelle die 136
Juden, die dem Christengott Gehorsam und Glauben verweigern,
die seinen Sohn, »unseren Herrn«, verfolgten, folterten, kreuzigten.
Sie sind schlicht perfide. So sang, wie erinnerlich, die offizielle Karfreitagsliturgie der katholischen Kirche noch bis vor einigen Jahren; auf diesem Hintergrund muß die Verfolgung der Juden
gesehen und eingeordnet werden. Warum auch nicht? Die Auser-
wählung ging, folgt man der über Jahrhunderte hinweg beständigen christlichen Doktrin, von den treulosen Söhnen Abrahams über auf die Christenheit, auf »uns«. Und heute will es wieder einmal keiner von uns gewesen sein...
Perfide, unter diesen Umständen jenen Forschern Antijudaismus vorzuhalten, die heutzutage genauere Kenntnisse über den alttestamentlichen Gott und die Praktiken seiner Krieger vorlegen.99 Abgesehen von der Tatsache, daß solche Wahrheiten auch von vielen Menschen jüdischen Glaubens anerkannt werden: Sind diese Forscher die Erben eines zweitausendjährigen mörderischen Chri-
stenhasses auf das auserwählte Volk der Juden? Finden sich unter ihnen oder unter ihren Vorfahren die Täter? Brauchen sie sich für die im Namen einer christlichen Kirche geschehenen Morde zu
entschuldigen? Gehörte auch nur einer von ihnen - wie ab 1933 die deutschen Bischöfe100 - zu den Förderern des Katholiken101 Adolf Hitler?
Die Haltet-den-Dieb-Rufer sind längst desavouiert. Doch scheinen sie sich nicht um derlei zu scheren. Sie haben mittlerweile Gott fest im Griff. Das bedeutet zwar eine angeblich neue Erwählung durch einen vermeintlich neuen Gott, den »unseren«. Doch der
Rest war althergebracht. Jede Religion setzt, so Diderot102, einen Gott voraus, »der sich erregt und besänftigt; denn wenn er sich nicht erregt oder wenn er sich nicht besänftigt, wenn er erregt ist, dann gibt es keinen Kult mehr, keine Altäre, keine Opfer, keine Priester.« Da aber Priester und Täter ein genuines Überlebensinteresse haben und nicht wenige Opferseelen auch, muß es einen Gott geben, der für dieses Interesse steht. »Unser Gott« muß sich erregen, ärgern. Er muß notwendigerweise zürnen, poltern, Strafe an-drohen. Erst dann ist es uns möglich, auf seine Besänftigung zu hoffen und die Opfer richtig zu plazieren. Alle Götter, also auch der »unsere«, fordern Opfer, Beweise und Zeichen der Liebe. Ihre Eifersucht, ihr Zorn sind stets gegenwärtig; immer sinnt der »unsere« auf eine möglichst ehrenvolle Besänftigung.
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Götter werfen mit Naturgewalten um sich, mit Katastrophen.
Sie wollen den Menschen ihre Macht beweisen, sind grausam und habgierig zugleich. Daher praktizieren sie unter ihren Anhängern eine Politik des Gebens und des Nehmens. Opfer sollen entweder ihren Zorn stillen oder ihre Hilfe für den glücklichen Ausgang eines Kriegszuges sichern. Man rechnet dabei ziemlich menschlich und ist nicht zimperlich: Je wertvoller das Opfer, desto gewisser der Erfolg. Gerade religiöse Menschen maßen sich an, an ihrer Stelle andere Menschen zum Opfer zu bringen,103 um ihrer eigenen Erwählung und ihres Heils sicher zu sein! Da für Gott nichts zu schade ist und manche Götter nur das Beste, Schönste, Edelste akzeptieren, empfingen nicht nur Nil und Tiber einst ihren jährlichen Anteil an frischem Menschenfleisch, sondern auch die mexi-kanischen Seen. Hier handelte es sich um blutjunge Mädchen, die für das Bett der aztekischen Gottheiten vorbereitet waren. Man zog ihnen die Haut ab, welche die Priester dann selbst anlegten.
Ein Feuer-Gott forderte geröstete Menschen, die mit langen Haken gewendet wurden, andere Götter zogen Herzen vor, wieder
andere liebten den Rauch zuckender Eingeweide, die zu ihren Ehren verbrannt wurden.
Noch zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts erzählt ein Skla-
venhändler aus Ghana, wie fünfhundert Jugendliche in einer religiösen Zeremonie geopfert wurden. Einem dieser Opfer war ein
Messer durch die Wangen gestochen worden; auch hatte man ihm
beide Ohren abgeschnitten, ein Messer durch seine Arme gestoßen und eine lange Lanze unter den Schulterblättern quer durch seine Sehnen gesteckt. Einem Mädchen waren beide Brüste abgeschnitten worden; ihre Lenden und ihr Bauch waren voller Peitschen-
striemen. Man führte es an einem Strick, der durch die Nasen-
löcher gezogen war.104 Zur gleichen Zeit wird ein indisches
Mädchen, das als
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