Sex und Folter in der Kirche
nichtchristliche Kulte beschränkt, sollte sich der Geschichte seiner eigenen Religion und der eines Patriarchen-Gottes erinnern. Falls ihm dies nicht auf Anhieb gelingt, wird er in den nächsten Kapiteln.
dieses Buches Gelegenheit bekommen. Zwar machte die Zivilisa-
tion Gottes und seiner Männer gewisse Fortschritte: Im Lauf der Zeit kamen wenigstens im Abendland Menschen- und Kindesop-fer115 aus der Mode, und nur noch Körperteile konnten geopfert werden. Am tunlichsten solche, die irgendwie mit Sexualität zu tun hatten: die Vorhaut der Jungen, das Hymen der Mädchen.116 Noch ein wenig später blieben Blumen, Erntegaben, Kerzen, Weihrauch, Doch Gottheiten verlangen immer auch nach Märtyrern, Faki-ren, Geißlern, Stigmatisierten. Sie finden Gehör: Um ihre angeblich beleidigten Götter zu rächen, töteten die Besten nicht nur sich selbst und ihre Begierden ab, sprangen bei Versuchungen des Fleisches in eiskalte Bäder, verstümmelten den Penis um des Himmelreiches
willen, vergossen asketisch ihr Heldenblut. Die besten Söhne
schlachteten auch jene Menschen ab, die sich den Forderungen des Jünger-Gottes widersetzten, spießten sie auf, pfählten sie. Zur hö-
heren Ehre des Himmels, zum Erstaunen der Philosophen.
Montaigne, fassungslos: »Wir haben nicht etwa aus Büchern,
sondern vielmehr aus eigener Anschauung noch ganz frisch in
Erinnerung, wie Leute einen Körper, der noch voll von Leben und 144
Rechts: Anheftung an das Kreuz.
Das Neue Testament spricht
nicht nur vom »Tod Jesu«, son-
dern erzählt durch verstärkte
Details legendarisch ausge-
schmückt,von einer Hinrichtung.
Das muß einen Sinn haben. (Al-
brecht Dürer: »Die Anheftung
Christi ans Kreuz«, 1495.) [l]
Unten:
Dornenkrönung Christi.
Die - historisch umstrittene -
Folter Jesu wurde in der christli-
chen Kunst grausam gezeichnet,
erreichte jedoch kaum die realen
Martern, die die Opfer der Chri-
sten erdulden mußten.
(Gotische Wandmalerei:
»Dornenkrönung«, o. J.) [2]
Das Kreuz und seine Staffage. Augenzeugen fehlten, und Wunschglaube setzte sich durch. Auch (Mathias Gothart Grünewald: »Kreuzigung« (Isenheimer Altar), um das berühmteste Bild gibt nicht die Kreuzigung Jesu wieder. Ein Mensch, hinfällig, gescheitert, 1513/15.) [3]
wird durch den Sohn »unseres Gottes« ersetzt. Von ihm erhoffen Jünger Heil und Sieg.
Jüngstes Gericht. Die Phantasie der Frommen ersann schaurigste Bilder von den Martern, die nach Gottes Verheißung auf alle Unbußfertigen warteten - und die die Freude der Seligen steigern sollten. (Hieronymus Bosch: »Das Jüngste Gericht« (Triptychon, Mitteltafel), o. J.) [4]
(Hieronymus Bosch: »Das Jüngste Gericht« (Triptychon, Detail aus der Mitteltafel), o. J.) [5]
Oben: Ein gemarterter Christ. Nicht selten werden den »Heiden« Methoden unterschoben, die aus späteren Zeiten stammen — und vonChristen ersonnen wurden, um ihre eigenen Opfer zu quälen. (»Martyrium des Heiligen Vincentius«, französische Buchmalerei, 15.
Jahrhundert.) [7]
Links: Geißelung der Heiligen Barbara. Der Vorwand, das Martyrium einer Heiligen darzustellen, dient dazu, die Bedürfnisse der Betrachter zu befriedigen: Gewalt und Geschlecht werden eins. (Meister Francke: »Geißelung der Heiligen Barbara« (Barbara-Altar vor 1424.) [6]
Der schöne Jüngling . Auch bei den häufigen Darstellungen des Heiligen Sebastian ist kaum zwischen der Wirklichkeit und der Lust zu unterscheiden, Voyeure zu bedienen. (Mantegna Andrea: »Der Heilige Sebastian«, o.J.) [8]
Ekstase einer Nonne. Ein Engel hält den (Liebes-)Pfeil bereit, die Übergänge von religiöser Entzückung und orgiastischer Wollust sind fließend. (Bernini Giovanni Lorenzo: »Die Ekstase der Heiligen Theresia« (Altar), 1646/52.) [9]
Folterkammer. Fügen Menschen anderen Schmerzen zu, handelt es sich um keinen Wahn. Die
»Das Gewölbe mit den Folterwerkzeugen in Nürnberg«, Holzstich, um 1870.) [10]
Maschinerie der Martern ist durchdacht - und wird bewußt gegen weltanschauliche oder politische Gegner eingesetzt.
Christenmission. Unvorstellbare Grausamkeiten kennzeichnen die Eroberung Lateinamerikas für den
»wahren Glauben«. Die Tradition der Gewalt ist gerade hier noch immer nie gebrochen. (Theodor de Bry: »Ferdinandus Sotto treibt grosse Wüterey in der Landschaft Florida«, kolorierter Kupferstich, aus:
»Reisen des Girolamo Benzoni nach Amerika 1541/56«.) [11]
(»Die Eroberung Mexikos durch Cortez«, spanische Malerei
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