Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
an.
»Mit Sex«, wiederholt er, so als hätte ich die blöde Frage nicht verstanden.
»Fantastisch, kaum ein Mann überlebt ihn, und du?«, sage ich extra ernst.
Ironie ist meine Geheimwaffe, wenn ich nicht wirklich antworten will. Immerhin lacht er, dann greift er entschlossen in die Jacketttasche, guckt sich um, ob ihn einer beobachtet, und holt eine Handvoll Kondome heraus. Er legt sie nicht auf den Tisch, sondern lässt sie mich nur sehen wie ein Lockmittel, und steckt sie dann zurück.
Ich bin weniger geschockt als beeindruckt. Da ist einer gut präpariert. Es ist so ein bisschen, als würde er Zucker oder eine Möhre für ein Pferd mitbringen, um sich beliebt zu machen. Oder als wäre ich in einen illegalen Deal mit interessanten Drogen involviert.
Gleich macht er den Hosenschlitz auf und lässt mich gucken, denke ich und muss lachen.
In Wirklichkeit bin ich enttäuscht von dieser unoriginellen Plumpheit. Nur eine Sekunde lang überlege ich, ob ich dieses Element von sexueller Abenteuerlust in mir finde, die mich sagen lässt: »Meine Wohnung oder deine?« Attraktiv genug ist er eigentlich.
Aber sie ist nicht da, die Verwegenheit, die ich gern hätte. Ich bin zu feige oder schlicht und einfach doch nicht so interessiert. Die Warnung meiner Mutter vor Männern ohne Socken hallt vielleicht auch in mir nach.
Er weiß nicht, wie er mein plötzliches Lachen deuten soll. Er guckt auf die Uhr, die Dämmerung bricht herein mit einem
Licht, das alles verschönt, nur nicht ältere Menschen. Ja, so weit ist es mit sechzig, die Natur ist nicht mehr dein Freund und Helfer. Der Rest Latte macchiato ist kalt, Mario auch. Die noch vor zwanzig Minuten schelmischen Augen blicken gelangweilt. Er muss gehen. Er verabschiedet sich mit Handschlag.
»Hat-e mich gefreut. Du bist sehr attraktive Frau.«
Es klingt nicht so recht von Herzen, und meins bricht nicht vor Enttäuschung.
»Hoffe, du kannst die Kondome heute noch irgendwo einsetzen, Mario«, gebe ich ihm mit auf den Weg.
Er trottet davon. Er kann mich mal, mein rüstiger Romeo. Flavio Ragiatone oder so ähnlich hätte er heißen sollen, finde ich, so wie dieser scheußliche alte reiche italienische Playboy, von dem Heidi Klum ein Kind hat.
Nach einer Minute rufe ich Sarah an und sage den Satz, den sie noch öfter hören wird: »Du glaubst nicht, was mir eben passiert ist.«
Die gute Nachricht: Mario hat meinen Latte macchiato bezahlt.
Karen, der ich auch die Mario-Episode erzähle und die etwas konservativer als ich ist, meint nur: »Finger weg von Ausländern.«
Aber dazu kommen wir noch.
Der Krieg der Kondome
Einen praktischen Effekt hatte das Date mit Mario. Es brachte mir das Thema Kondome näher, das ich gern verdränge, wenn ich in keiner Beziehung bin, wo sie nicht unbedingt nötig sind. Denn wer liebt sie schon?
Ich hatte nämlich gar keine brauchbaren mehr im Haus, auch wenn sie ja laut Verfallsdatum ewig halten sollen, sodass man sie weitervererben kann und noch die nächsten Generationen etwas davon haben. Wem hatte ich das letzte Stück aus meinem einst umfangreichen Kondomfundus angedeihen lassen? Gut, die Kavalierin genießt und schweigt.
Nur das Kondomsouvenir von einem Amerikatrip vor sechs Jahren habe ich aufgehoben. Es ist schwarz und steckt in einer Art Streichholzbriefchen mit dem Logo des Virgin Record Store in Los Angeles, in dem sie neben der Kasse gelegen hatten. Umsonst.
Zugegeben, ich bin etwas aus der Übung. Mit meinem letzten festen Freund, von dem ich mich vor sechs Jahren getrennt habe, hatte ich die Sache brav mit einem Aidstest geklärt und brauchte auch keine mehr für Empfängnisverhütung. Die letzten beiden Affären sind locker und lustig gewesen und irgendwie waren Kondome da.
Was genau sind nun aber die gängigen Benimmformeln im Alter von sechzig? Hat man Kondome neben dem Bett liegen und auch in der Handtasche? Überlässt man es dem Zufall, ist man spontan und tut ganz schrecklich überrascht, wenn er Sex will, und hofft darauf, dass er welche dabeihat?
Dass das der Fall sein kann, selbst wenn man nur Kaffee miteinander trinkt, hatte ich ja bei Mario gesehen.
Ach ja, das Kondomthema, es war immer schon freudlos, unsexy, unromantisch und irgendwie viel zu zielorientiert, weil man die sexuellen Absichten irgendwann offenlegen musste. Fast so, als brächte man seinen Sturzhelm zum Motorradfahren mit oder seinen Sattel zum Reiten.
Und Frauen, die immerwährend passiven Prinzessinnen an der Sexfront, mochten vor
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