Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
Dates.
Jürgen guckt mich ununterbrochen mit seinen runden Augen an, ein bisschen wie ein netter Hund, dem man einen Knochen versprochen hat und der erwartungsvoll darauf wartet. Er tut mir leid. Es ist schwer als Mann (sicher auch als Frau), so gar kein Talent für Konversation zu haben.
Ich aber will nur weg. Auf dem Weg nach Hause beschließe ich, keine Männer nur wegen ihrer Locken zu treffen.
Später finde ich heraus, dass es ganze Websites nur für datende Damen aus der Ukraine gibt. Entweder gibt es zu viele davon, sie haben etwas, was der Rest der Frauen nicht hat (außer Brennholz), oder es handelt sich um einen geheimen Sexcode, den ich in meiner Naivität nicht kenne.
»Die wollen alle einen alten reichen Deutschen heiraten oder anderweitig abzocken, Dummchen, und dann mit viel Gold und Nerz behängt, dickem Make-up und blond gefärbt ein Leben wie in einem Lady-Gaga-Video führen«, klärt mich Sarah auf.
Was stimmt nicht mit mir?
Ich fühle mich schon wieder leicht deprimiert nach so einem völlig überflüssigen Date. Es kommt eine gewisse Verzweiflung durch, und sie erinnert mich daran, dass ich tatsächlich Single bin und mich um einen Mann bemühe. Per Internet. Peinlich. Das kann doch nicht klappen.
Natürlich misstraue ich den vielversprechend aussehenden und sich anhörenden Männern, und unausweichlich entsteht ein typischer Dialog in meinem Kopf: »Wenn er so ein toller Mann ist, warum sucht er eine Frau im Internet?« - »Warum nicht, du tust dasselbe und bist toll«, wäre theoretisch die richtige Antwort und nicht eine typische Eigensabotage wie: »Ich würde nie einem Club beitreten, der mich als Mitglied nimmt.«
Das sagte bereits der legendäre Komiker Groucho Marx, und Woody Allen stimmte ihm zu - sicherlich auch Donald Duck, die von Selbstzweifeln geplagte Ente.
»Was stimmt nicht mit mir«, fragt obendrein die kleine nagende Stimme, die niedliche Kinderschuhe trägt und nicht den Mund halten will, »dass ich mich für Geld anbieten muss?« (Elite und Parship sind nicht billig!)
Karen jedoch sieht das ganz anders.
»Also, eigentlich finde ich es toll, wie du das so routiniert einfädelst mit dem Treffen von Männern und all den Mails«, gesteht sie, die auch seit einem Jahr Single ist und vierundfünfzig wird. »Ich könnte das nicht.«
Sie will es aber auch nicht, hat sie mehrmals erklärt, sie sei alles andere als an einer neuen Beziehung interessiert.
Die Flirtschule des Lebens
Zu flirten und einen Mann anzusprechen kann man lernen, muss man aber üben. Als ich sehr jung war, sprach ein Mädchen keine Jungs und Männer an, sie bekam sie durch gewisse Blicke dazu, sie anzusprechen. In dem Fall tat sie dann völlig desinteressiert oder empört, bebte aber innerlich vor Aufregung. Auch wenn in den späten Sechzigern die neue, lockere Moral zelebriert wurde, so waren doch die Bausteine für eine geradezu professionelle Schüchternheit viel früher gelegt worden.
Meine Mutter gestand mir einmal, dass sie es leider nie geschafft hat, einen Mann anzusprechen - obwohl sie zwanzig Jahre lang Single war und viele Verehrer hatte. Sie schaffte es nicht einmal, sich von freundlich lächelnden Gentlemen in Cafés auf einen Kaffee einladen zu lassen. Alles reine Erziehungssache.
Auch ich war mit vierzehn ziemlich schüchtern, aber einfallsreicher als meine Mutter. Meine geheimen Ausflüge in die Welt des Flirts und der Aufmerksamkeit von Jungs fingen auf dem lokalen Jahrmarkt an, auf den ich eigentlich nicht gehen durfte. Man fuhr kreischend im Autoscooter, rempelte damit Jungs wie aus Versehen an oder stand an den Karussells herum, während man mit den Fingern zu den amerikanischen Fünfzigerjahre-Rocksongs schnippte und so tat, als wäre man cool und unnahbar.
Außer Blicken, einem lässigen Kopfnicken oder einem »Hallo« wurde nicht viel ausgetauscht.
Es lag eine süße Aufregung und Erwartung in der Luft, bald, schon bald würde man die jugendliche Unschuld hinter sich lassen, die Geheimnisse der Sexualität enträtseln und das Spiel der Geschlechter mitspielen können.
Auch Verabredungen gab es noch nicht wirklich. Man guckte sich in der Klasse oder auf dem Schulhof an, kam mit dem Jungen der Wahl öfter ins Gespräch, und dann fragte auch schon eine Freundin kichernd: »Gehst du mit dem?« Und das war wortwörtlich zu nehmen: Man schlenderte zusammen mit einem Jungen nach Hause, von der Schule oder vom Sport, er kam natürlich nicht mit herein, und traf sich vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher