Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
also kein Problem. Sie kriegte als awieanne zehn Zuschriften am Tag, dann ebbte es ab, und dann kam optimist 101 ins Spiel - Sigi. Da kommt er gerade und setzt sich dazu, sie schenkt ihm Tee ein.
»Erzähl du mal«, sie zwinkert mir vielsagend zu.
Sigi ist dreiundsechzig, getrennt lebend, hat zwei erwachsene Kinder und ist der bodenständige, verschmitzte Typ von kleiner Statur. Er erklärt mit wenigen Worten, wie es für Männer im Internet läuft.
»Frauenüberschuss, man kann sich vor Anfragen kaum retten und auswählen, wie man will.«
Er selbst hatte eine einfache Regel: Frauen über fünfzig kamen nicht infrage.
Annegret kichert: »Hätte ich nicht gelogen, würden wir hier nicht sitzen.«
Sigi hatte viele Dates, die ganz klar umrissen waren. Entgegen der Meinung, dass Frauen sich länger zieren als Männer, landete er schnell an heißen Wochenenden mit sehr willigen Kandidatinnen im Bett.
»Das kann man ganz schnell klären, in welche Richtung das gehen soll. Online oder am Telefon.«
Annegret verdreht die Augen. Laut Sigi sind Berlinerinnen am schnellsten zu Sex bereit und kommen auch gern angereist.
»Ich glaube, die Männer in Berlin sind unromantische Sexmuffel«, bietet Sigi als Erklärung an.
Annegret und Sigi mochten sich gleich, man telefonierte, man traf sich, keiner musste anreisen - und plötzlich waren sie ein Paar, das perfekt harmonierte.
Sigi wurde allerdings erwischt, wie er weiterhin online suchte - er streitet es ab -, aber dann brachte er seine Kisten und luxuriösen Küchenutensilien mit, denn er kocht gern.
Als er sich wieder zu seiner Hecke trollt, grinst Annegret mich an: »Perfekt. Er zahlt Miete, ist mein Lover, ich muss ihn nicht heiraten, und er ist irre fürsorglich.«
Bin ich ein bisschen neidisch? Ja.
Hätte ich gern Sigi? Nein!
Denn die Sigis dieser Welt sind nichts für mich und ich nichts für sie.
Das zweite Paar aus meiner Serie »Was ich theoretisch auch kriegen könnte« war ganz anders. Und eigentlich stehe ich noch unter Schock. Joachim ist ein lustiger fünfundsechzigjähriger Anwalt, den ich seit dreißig Jahren kenne. Er war nach dem plötzlichen Tod seiner (älteren) Lebenspartnerin vor drei Jahren ziemlich verzweifelt.
»Ich kann nicht allein sein, ich brauche eine Frau, sonst verwelke ich wie eine Blume«, jammerte er in klassischer Girl-Talk-Manier!
Und stürmte vor zwei Jahren in die Datingszene wie ein Hurrikan, meldete sich bei allen Webseiten an, freien und gebührenpflichtigen, und war vierundzwanzig Stunden am Tag damit beschäftigt, Frauen zwischen fünfundvierzig und sechzig anzumailen und jede einzelne zu treffen, die willig war.
Witzige Anwälte haben wohl in der Altersklasse mit die besten Karten, sofort nach Millionären ohne Erben. Er brachte es in der Zeit auf zweihundertsechzig Dates (behauptet er!), von denen einige »wirklich sehr tolle, berufstätige Frauen« waren, mit fünf von ihnen ging er richtig aus.
Auf meine Frage, wie es denn mit Sex war, gibt er ausweichende Antworten, fast ein bisschen kokett. »Alles prima«, behauptet er.
Wir wohnen etwas weiter auseinander, und so traf ich bisher keine seiner Eroberungen. Bis sich dann eine Karin in sein Leben mailte, ihres Zeichens eine achtundvierzigjährige Stenografin bei Gericht. Ich hörte nur noch »Karin und ich«, und dann wollte er, dass ich sie kennenlerne. Gern.
Karin hat flammendrot gefärbte Haare, trägt einen schulterfreien Pulli, großzügige Schmuckmengen, Leggings und Pantoletten - alles Dinge, die beim Fashiongericht lebenslänglich kriegen würden.
Sie ist wohl sehr unsicher und möchte dringend die »gute alte Freundin« von Joachim grillen.
Männer sollten lernen, sich nicht zu enthusiastisch über andere Frauen zu äußern, auch wenn die Freundschaft platonischer Natur ist.
Sie starrt mich bitterböse an, nimmt flink die Häppchen weg, bevor ich zugreifen kann, und sagt dauernd giftig: »Also, das müssen Sie mir erst mal erklären!«
Einer meiner allerliebsten Sätze.
Ich erkläre gar nichts, sondern ignoriere sie nach dem dritten Affront (»Ach, Sie schreiben? Davon kann man doch nicht leben!«), was sie erbost. Dafür drückt sie sich demonstrativ so eng an Joachim, dass er fast von der Couch fällt, und knetet kräftig seine Hand.
Die Worte »wir« und »Schatz« fallen dauernd, Joachim guckt ein wenig gequält, ich sehe ihn mit neuen Augen. Nach einigen weiteren persönlichen Beleidigungen von Karin (»Nur weil Sie viel reisen, heißt
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