Sexy Sixty - Liebe kennt kein Alter -
mit einem Datingservice jemanden suchen musst«, zische ich ihn an.
Ich bemerke das kleine Eigentor sofort, er aber auch.
»Gleichfalls«, entgegnet er mit einem leicht sarkastischen Lächeln. »Du scheinst ja auf dem traditionellen Weg auch nicht gerade das große Glück gefunden zu haben.«
Autsch. Das sitzt.
Auch wenn es ihn nichts angeht, er nicht die turbulenten Details meines Liebeslebens kennt und keinerlei Befugnis hat, meine Partnerqualitäten anzuzweifeln. Es ist etwas dran.
Gewissen Wahrheiten, von denen es für jeden von uns mindestens eine gibt, sollte man ins Gesicht blicken, wenn man über sechzig ist. Und diese schmerzte ein wenig und war nicht schmeichelhaft für mich: Ich glaube, ich war mit dreißig ziemlich unfähig, eine gesunde und stabile Beziehung zu haben. Enthusiastische, kurzlebige Liebesaffären waren mehr
etwas für meinen damaligen emotionalen Reifegrad und meine Idee von Selbstverwirklichung.
Wenn ich zurückblicke auf meine turbulente kurze Ehe und den ganzen Rest meines Liebeslebens, ja selbst auf die ernsthaften Beziehungen, dann war ich alles andere als die perfekte Frau, Freundin und Partnerin gewesen. Die stressige Mischung aus Liebessehnsucht, Misstrauen, Freiheitsstreben, Anhänglichkeit, Angst, Zwiespältigkeit und Unberechenbarkeit machte mich sicherlich zu einem erschöpfenden Abenteuer und Nervenkitzel, auf den man manchmal lieber verzichten mochte. Die Willigkeit, mich von einem Mann zu trennen, wenn mir etwas nicht passte, war sehr hoch. Verliebtheit würde immer wieder passieren, es würde genug Vorrat an Männern da sein, das war meine Überzeugung, da machte ich mir keine Sorgen.
Trotzdem gab es zwischendrin sehr ernste und teilweise stabile Beziehungen, aber sie dauerten maximal fünf Jahre. Mir fehlte ganz einfach das Selbstaufgabe-Gen, ich wollte mich nicht binden, denn Bindung erschien mir als eine tragische Form von Gefängnis, die ihren Höhepunkt in einem albernen weißen Kleid vor dem Altar fand.
Aber wie kriegt man seine romantischen Vorstellungen als junge und als alte Frau unter einen Hut? Ändert sich die Liebe, ihre Tiefe, die Bedeutung? Wird sie von einem verbrennenden engen Bodysuit zum angenehm warmen weichen Umhang? Sein Herz an etwas hängen. Wer kennt nicht den Ausdruck? Da baumelte es dann an einem Mann, als wir jung, leidenschaftlich und unerfahren waren, und es schwang hin und her, das arme Herz, ziepte und weinte, weil es ignoriert wurde.
Ich glaube, man bekommt eine »erwachsene« Liebe niemals hin, wenn man jung ist.
Ich wollte früher als junge Frau immer Randale in der Liebe haben. Aufruhr, Leidenschaft, Zank, Drama, Versöhnung waren für mich sichere Zeichen für ein echtes emotionelles Erlebnis. Liebe eben. Vom anderen verlangte ich Selbstaufgabe und Besessenheit. Wer das nicht vorzeigen konnte, nicht erbebte und völlig durcheinander war, der galt für mich als uninteressant. Unterwerfung (des anderen natürlich!) war für mich der ultimative Liebesbeweis.
Ich wollte etwas fühlen, und zwar so intensiv, dass ich litt und zitterte, lachte und weinte. Harmonie und lange zankfreie Perioden erschienen mir verdächtig und lauwarm wie eine Mutti-und-Vati-Ehe. Die Schlachten waren anstrengend, aber das musste so sein, dachte ich, die aus einer Ehe zankender Eltern kam.
Wie schädlich diese Ausbrüche waren, letztendlich nur ein Zeichen von Angst und Unsicherheit, entdeckte ich erst spät. Und das ist traurig, denn dieser Vorstellung von Liebe als emotionelle Achterbahn war letztendlich kein Mann gewachsen. Ich selbst auch nicht.
All diese Versuche, Liebe in Machtspiele zu verwandeln, haben einige echte und große Lieben stark verkürzt, manche sogar gar nicht erst erblühen lassen.
Diese Fehler wollte ich nicht noch einmal machen, musste ich nicht noch einmal machen, denn mit dieser Erkenntnis hat sich der Spuk, glaube ich, aufgelöst.
So ab fünfzig ist man wohl sehr viel mehr in der Lage, eine interessante Beziehung zu formen und weiterzuentwickeln, als mit dreißig, weil Toleranz eingetreten ist und Sicherheit und Selbstwertgefühl stark zugenommen haben.
All das betrifft nicht wirklich Heino, den ich weder als junge noch alte Version will. Ich rufe die Kellnerin wegen der
Rechnung. Natürlich bezahlt er nur seinen Kaffee. Ich nicke kurz mit dem Kopf und gehe.
Er mailt mir später noch, dass ich unmöglich sei und »riesige« Probleme haben werde, jemanden zu finden. Er hingegen könne mir garantieren, dass er Ende
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